Wir sind Innovationsgestalter, Brückenbauer und Transformationsbegleiter

Um noch gezielter die großen Baustellen des deutschen Gesundheitssystems zu bearbeiten, hat das Robert Bosch Centrum für Innovationen im Gesundheitswesen am Bosch Health Campus seine Strategie weiterentwickelt. Die Leiterin Dr. Katja Vonhoff erläutert, welche Initiativen gegen Fachkräftemangel, Digitalisierungsstau und eine geringe Gesundheitskompetenz helfen sollen – und woran sie den Erfolg misst. 

Das Gespräch führte Cornelia Varwig | Dezember 2025
Profilfoto_Katja_Vonhoff 1200x503 Michael Fuchs.jpg
Michael Fuchs

„Am Ende sollen unsere Aktivitäten ganz konkret bei den Menschen ankommen.“ 

Frau Dr. Vonhoff, Sie haben mit Ihrem Team die Strategie des Robert Bosch Centrums für Innovationen im Gesundheitswesen (RBIG) neu ausgerichtet. Was sind die wichtigsten Ziele, die Sie bis 2030 erreichen möchten? 

Dr. Katja Vonhoff: Wir wollen ein zukunftsfähiges, menschenzentriertes und resilientes Gesundheitssystem in Deutschland mitgestalten, das innovativ ist und dem Wohle aller dient. Zu diesem Zweck haben wir fünf strategische Ambitionen formuliert.

Fokus Gesundheit: Unser Ziel ist es, die Gesundheit der Menschen zu stärken und die Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung durch strategische Maßnahmen zu fördern.

Sektorenverbindende Versorgung: Wir unterstützen die Neugestaltung der Gesundheitsversorgung dahingehend, dass sie sektorenübergreifend und multiprofessionell ausgerichtet ist. Der Fokus liegt auf einer starken Primärversorgung sowie auf Prävention und Gesundheitsförderung.

Fachkräfte der Zukunft: In einer guten Gesundheitsversorgung werden Fach- und Führungskräfte benötigt, die auf gegenwärtige und zukünftige Versorgungsbedarfe vorbereitet sind. Wir unterstützen Fachkräfte mit strategischen Initiativen, ihre digitalen Kompetenzen auszubauen und die interprofessionelle Zusammenarbeit effektiv zu gestalten.

Digitale Transformation: Die digitale Transformation ist ein Treiber von Innovationen in der Gesundheitsversorgung und Garant für ihre Zukunftsfähigkeit. Wir leisten einen Beitrag dazu, dass digitale Innovationen und Prozesse verlässlich in die Versorgung integriert werden.

Gesundheitspolitik und Systeminnovationen: Politische und strukturelle Rahmenbedingungen müssen in Deutschland verbessert werden, damit evidenzbasierte Innovationen systematisch in die Regelversorgung integriert und Transfer und Skalierung beschleunigt werden können. Mit unserer gesundheitspolitischen Arbeit unterstützen und begleiten wir diesen Prozess.

Das Robert Bosch Centrum für Innovationen im Gesundheitswesen versteht sich als Innovationsgestalter, Brückenbauer und Transformationsbegleiter. Können Sie Beispiele nennen, wie diese verschiedenen Rollen in Ihrer Arbeit zum Tragen kommen?

Grundsätzlich folgen wir mit unserer Arbeit dem gesellschaftlichen Auftrag unseres Stifters Robert Bosch. Als Innovationsgestalter schaffen wir Räume zum Lernen und Erproben und initiieren Modellprojekte am Bosch Health Campus und in strategischen Partnerschaften. Ein gutes Beispiel dafür ist unser Programm PORT – Patientenorientierte Zentren zur Primär- und Langzeitversorgung, das mit Expert:innen und Inspiration aus dem Ausland entwickelt wurde. Deutschlandweit fördern wir zwölf PORT-Zentren – das jüngste haben wir dieses Jahr direkt bei uns am Bosch Health Campus eröffnet. Als Brückenbauer stellen wir den Austausch zwischen den Zentren und mit weiteren Partner:innen sicher. Und wir arbeiten daran, eine vollständige Integration der PORT-Zentren in die Regelversorgung zu ermöglichen. Da sind wir Transformationsbegleiter. 

Viele Krankenhäuser, Pflegeheime und Praxen haben mit einem Fachkräftemangel zu kämpfen. Welche Ideen haben Sie, mehr Menschen für Gesundheitsberufe zu gewinnen – und sie dort zu halten?

Wir benötigen dringend Ansätze, damit Menschen in ihrem Arbeitsalltag entlastet werden – gerade die digitale Transformation bietet hier große Chancen. Fachkräfte müssen daher in ihrer Digitalkompetenz gestärkt werden. Gemeinsam mit dem Irmgard Bosch Bildungszentrum, ebenfalls Teil des Bosch Health Campus, haben wir eine Initiative auf den Weg gebracht, die Pflegefachkräften in ihrer Ausbildung das nötige Know-how an die Hand gibt. 

Schaubild Strategie.jpg

Zudem sind Arbeitsbedingungen sowie Unternehmens- und Führungskultur von herausragender Bedeutung. In einem dynamischen und zunehmend komplexen Umfeld ist Führung ein zentraler Hebel für Veränderung. Transformationale Führungskompetenzen befähigen Führungskräfte, Mitarbeitende durch Sinnstiftung, individuelle Förderung und eine gemeinsame Vision zu motivieren und in Veränderungsprozesse einzubinden. Sie fördern Innovationskraft, stärken die Bindung ans Team und steigern die Versorgungsqualität. 

Unser Netzwerk „Sciana – The Health Leaders Network“, das wir gemeinsam mit der schweizerischen Stiftung Careum und der britischen Health Foundation gegründet haben, setzt da an: Es bringt länder- und sektorenübergreifend Führungspersonen aus dem Gesundheitswesen zusammen, um innovative Lösungsansätze zu erarbeiten. 

Wie Sie schon sagten, ist die digitale Transformation für Fortschritte in vielen Bereichen des Gesundheitswesens entscheidend. Worauf kommt es jetzt an?

Leider ist die Kluft zwischen den Möglichkeiten digitaler Innovationen und der digitalen Infrastruktur in der Versorgung noch sehr groß. Daher können digitale Innovationen – etwa KI zur Auswertung von Arztbriefen, Robotics zur Unterstützung in der Versorgung oder Wearables wie Smartwatches zur Überwachung von Gesundheitsdaten – nicht isoliert entwickelt werden. Gleichzeitig muss an verschiedenen Stellschrauben gearbeitet werden: Dazu gehören digitale Infrastruktur und Organisationsentwicklung sowie die Entwicklung digitaler Kompetenzen aller Beteiligten.

Das RBIG hat 2025 gemeinsam mit der Universität Bielefeld eine Studie zur Gesundheitskompetenz herausgebracht, die zeigt, dass es in Baden-Württemberg gravierende Defizite im Umgang mit Gesundheitsinformationen gibt. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus für Ihre Arbeit?

Die Gesundheitskompetenz der Menschen in Deutschland ist generell nicht sonderlich gut ausgeprägt. Besonders schlecht ist sie bei Menschen mit geringer Bildung und schlechten sozial-ökonomischen Verhältnissen, mit chronischen Erkrankungen sowie bei älteren Personen. Im Internet gibt es zwar eine Fülle an Gesundheitsinformationen, aber für viele ist es schwierig, ihre Qualität zu beurteilen.

Hier setzen wir mit unserem gemeinnützigen, digitalen Präventionsangebot www.sundi.eu an. Die Nutzer:innen erhalten dort personalisierte, evidenzbasierte Informationen, können sich mit dem Chatbot austauschen und mithilfe einer KI ihre eigenen, realistischen Gesundheitsziele setzen. Das ist wichtig, denn die Studie hat auch gezeigt, dass Menschen mit einer ausgeprägten Gesundheitskompetenz seltener Gesundheitsversorgung in Anspruch nehmen und mehr gesunde Lebensjahre haben.

Ein weiterer Schwerpunkt Ihrer Arbeit ist eine stärkere Ausrichtung auf eine sektorenverbindende Versorgung. Welchen Nutzen bringt diese?

Ein großes Problem unseres Gesundheitssystems ist, dass Menschen häufig Brüche zwischen ambulanter und stationärer Versorgung erleben. Wenn beispielsweise ein Patient aus einer stationären Einrichtung entlassen wird, muss er sich um die ambulante Weiterversorgung eigenständig kümmern. Das führt häufig zu einer unzureichenden individuellen Versorgung und hohen Systemkosten. Eine sektorenverbindende Versorgung ist daher von enormer Bedeutung. Mit unserem ambulanten PORT-Gesundheitszentrum am Bosch Health Campus in Stuttgart haben wir einen Ort geschaffen, an dem ambulante und stationäre Versorgung Hand in Hand gehen. Es ist direkt im Robert Bosch Krankenhaus, Standort City, angesiedelt.

BO_04566-Verbessert-RR quadratisch Björn Hänssler.jpg

Dr. Katja Vonhoff

Dr. Katja Vonhoff ist spezialisiert auf Innovationsprozesse im Sozial- und Gesundheitswesen. Seit November 2024 leitet sie das Robert Bosch Centrum für Innovationen im Gesundheitswesen. Zuvor baute sie den Bereich „Innovation und Nachhaltigkeit” beim Diakonischen Werk Baden auf. Als selbstständige Beraterin begleitete sie Sozial- und Gesundheitsorganisationen bei der Entwicklung, Finanzierung, Umsetzung und Verstetigung innovativer Projekte. In ihrer politikwissenschaftlichen Promotion an der Universität Tübingen befasste sie sich mit interorganisationalen Netzwerken. Ihre berufliche Laufbahn begann nach einem interdisziplinären Studium in Frankfurt am Main und Cardiff (UK) im Stiftungssektor (Hertie-Stiftung, Robert Bosch Stiftung).

Oft scheitern erfolgreiche Modellprojekte an der Überführung in die Regelversorgung. Welche Rolle übernimmt das RBIG, den Transfer nachhaltig zu sichern?

Es gibt zahlreiche Förderprogramme, die Modellprojekte für einen begrenzten Zeitraum von etwa zwei bis drei Jahren unterstützen. Doch oft haben die Projekte nach der Pilotfinanzierung noch nicht den erforderlichen Reifegrad erreicht, um in die Regelversorgung überführt zu werden oder es fehlen Refinanzierungsstrukturen. Wir setzen uns auf systemischer Ebene für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen ein, damit innovative Versorgungsformen schneller in die Regelversorgung integriert werden können. Dafür bringen wir systemrelevante Akteur:innen auf Landes- und Bundesebene in einen konstruktiven, vertrauensvollen Austausch. Außerdem geben wir entsprechende Studien in Auftrag und verfassen praxisorientierte Policy Paper. Auch auf der praktischen Ebene stellen wir Austauschplattformen zur Verfügung und unterstützen unsere Förderinitiativen dabei, Sichtbarkeit zu erlangen. 

Wenn wir uns ins Jahr 2030 begeben und zurückblicken – woran würden Sie persönlich erkennen, dass Ihre Strategie etwas bewegt hat?

Am Ende sollen unsere Aktivitäten ganz konkret bei den Menschen ankommen. Daher würde ich auf einer persönlichen Ebene sagen: Wenn mir Menschen berichten, dass sie durch unsere Initiativen gesünder leben und besser versorgt werden. Um den Erfolg unserer Strategie und der Umsetzung zu bewerten, entwickeln wir aktuell eine umfangreiche Wirkungsmessung. Unsere Strategie ist chancenorientiert ausgerichtet, das heißt wir überprüfen regelmäßig unsere Ziele und ob sich neue (zum Beispiel politische) Chancen eröffnen.

Unsere Förderprojekte

Sundi - Gemeinsam gesund leben

Sundi ist ein digitales, KI-unterstütztes Präventionsangebot für Menschen ab 55 Jahren.

PORT Patientenorientierte Zentren zur Primär- und Langzeitversorgung

Wir fördern Pioniere, die für Deutschland innovative,...

Sciana – The Health Leaders Network

Das Netzwerk wendet sich an Führungspersönlichkeiten aus dem...