BERICHT
Translation: Von der Forschung in die Praxis

Wenn sich Forschung und Gesundheitsversorgung austauschen und zusammenarbeiten, dann kann das allen nutzen. Darüber diskutierten die Gäste der Veranstaltung „Translate! Wie aus Forschung Gesundheit wird“ in der Robert Bosch Stiftung. Dabei blickten sie auch auf den zukünftigen Bosch Health Campus (BHC) und seine Möglichkeiten.

Alexandra Wolters | September 2021
Prof. Dr. Heyo Kroemer

„Forschung und klinische Anwendung sollen näher zusammenkommen“, fordert Prof. Dr. Heyo Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Berliner Charité.

Menschen, die täglich in der Gesundheitsversorgung arbeiten, wissen meist ziemlich genau, was sie für eine gute Arbeit brauchen und was ihre Patient:innen benötigen. Aber nicht immer sind bereits passende Medikamente, Therapie- und Diagnosemethoden vorhanden, weil sie noch nicht entwickelt sind. Oder weil sie noch in der Forschung liegen. Im Durchschnitt dauert es 15 Jahre und kostet bis zu eine Milliarde Euro, bis aus einer guten Idee ein Medikament oder aus einer Vision ein validiertes Verfahren wird.

Das Gesundheitssystem steht vor enormen Herausforderungen – vor allem bedingt durch den demografischen Wandel und die immer älter werdende Bevölkerung. „Forschung und klinische Anwendung sollen näher zusammenkommen, um die Entwicklungszeiten von neuen Methoden, neuer Diagnostik und innovativen Therapien zu beschleunigen“, forderte Prof. Dr. Heyo Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Berliner Charité, auf der Veranstaltung „Translate! Wie aus Forschung Gesundheit wird“. Die Robert Bosch Stiftung hatte dazu am 15. September Expert:innen aus Gesundheit, Wirtschaft und Politik nach Stuttgart eingeladen. 

Barrierefreie Interaktion

Translation beschreibt die Übertragung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Forschungsergebnissen in die Gesundheitsversorgung. Das müsse besser und schneller gelingen, zeigte sich Kroemer überzeugt, der einst am Dr. Margarete Fischer-Bosch-Institut für Klinische Pharmakologie (IKP) in Stuttgart promovierte und habilitierte. Dass es schnell gehen könne, hätten die rasche Impfstoff-Entwicklung und der intensive Netzwerk-Austausch in der Corona-Pandemie bewiesen. 

„Medizinische Translation ist ein unverzichtbarer Lösungsansatz zur Verbesserung der medizinischen Versorgung“, so Kroemer. Darauf setzt die Berliner Charité bereits seit einigen Jahren. Sie ist dafür nationale und internationale Kooperationen eingegangen und hat strukturelle Anpassungen vorgenommen. Ein wichtiger Schritt, so Kroemer, sei die Integration des Berlin Institute of Health (BIH) in die Charité gewesen, dessen Schwerpunkt translationale Forschung ist. „Damit haben wir eine Barrierefreiheit der Interaktion geschaffen.“ Das wiederum habe Wege von der Forschung in die Versorgung – und auch umgekehrt – verbessert und beschleunigt. Als Beispiel nannte Kroemer die Berliner Entwicklung und Anwendung einer auf künstlicher Intelligenz basierenden Software, die das Risiko von Komplikationen nach einer Operation vorhersagen kann.

Dr. Bernhard Straub

„Als Stiftung wollen wir ein translationales Ökosystem schaffen, in dem medizinische Forschung und Behandlung noch enger verzahnt werden“, erklärte Dr. Bernhard Straub, Geschäftsführer der Robert Bosch Stiftung.

Bosch Health Campus – Behandeln. Forschen. Bilden. Fördern

Translation heißt auch, Dinge zu verknüpfen, die bereits da sind. Das ist auch die Idee hinter dem Bosch Health Campus (BHC), der zum Jahresbeginn 2022 an den Start geht. „Als Stiftung wollen wir ein translationales Ökosystem schaffen, in dem medizinische Forschung und Behandlung noch enger verzahnt werden. Spitzenforschung, von der Patient:innen unmittelbar profitieren – zum Beispiel durch individualisierte Behandlungsstrategien“, erklärte Dr. Bernhard Straub, Geschäftsführer der Robert Bosch Stiftung zu Beginn der Veranstaltung. Für den Bosch Health Campus werden das Robert-Bosch-Krankenhaus mit seinen Einrichtungen und Forschungsinstituten, die medizinische und pflegerische Ausbildung sowie die Förderung der Stiftung im Bereich Gesundheit zusammenziehen. Das Motto lautet: Behandeln. Forschen. Bilden. Fördern.

„Wir wollen dieses translationale Ökosystem, um Innovationen schnell in die Regelversorgung zu bekommen“, ergänzte Prof. Dr. Mark Dominik Alscher, Direktor des Robert-Bosch-Krankenhauses und designierter Medizinischer Geschäftsführer des Bosch Health Campus‘. Der BHC weite dafür den Blick über den Tellerrand der einzelnen Bereiche hinaus, mache es möglich, neue Versorgungsformen auszuprobieren und frühzeitig aktiv an Studien teilzunehmen.

Prof. Dr. Mark Dominik Alscher

Prof. Dr. Mark Dominik Alscher, Direktor des Robert-Bosch-Krankenhauses und designierter Medizinischer Geschäftsführer des Bosch Health Campus, in der Robert Bosch Stiftung.

Digitalisierung als wichtiger Schlüssel

Wichtig für eine gute und schnelle Translation ist die Digitalisierung und die damit verbundene schnelle und Netzwerk übergreifende Bereitstellung von Daten und Informationen. „Die Digitalisierung ist ein wesentlicher Schlüssel für eine bessere und zukunftsorientierte Gesundheitsversorgung“, betonte Prof. Dr. Matthias Schwab, Direktor des Instituts für Klinische Pharmakologie, das künftig ebenfalls zum BHC gehören wird. Er nannte damit Bedingungen, die auch als Aufgabe an die Politik adressiert sind.

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„Die Digitalisierung ist ein wesentlicher Schlüssel für eine bessere und zukunftsorientierte Gesundheitsversorgung“, betonte Prof. Dr. Matthias Schwab, Direktor des Instituts für Klinische Pharmakologie.

Deutschland müsse handeln und Angebote im Bereich der digitalisierten Medizin schaffen. Sonst übernähmen das die großen internationalen Spieler, mahnte Kroemer am Ende der Veranstaltung und sprach von einer möglichen „Teslaisierung des Gesundheitssystems“. Dabei verglich der Vorstandsvorsitzende der Charité das Gesundheitssystem mit der deutschen Autoindustrie, die nicht zuletzt durch den Druck des Markteintritts von Tesla verstärkt auf Elektromobilität gesetzt habe.

Im Gesundheitswesen – da waren sich alle Redner einig – habe der Druck, der durch die Corona-Pandemie entstanden ist, alles Negative, aber auch alles Gute wie durch ein Vergrößerungsglas überdeutlich gemacht. An dem Positiven – wie der gelungenen Translation – wolle man festhalten, davon lernen und zukunftsfähig ausbauen.