PORT Patientenorientierte Zentren zur Primär- und Langzeitversorgung

Wir fördern Pioniere, die für Deutschland innovative, umfassende und exzellente Gesundheitszentren zur Primär- und Langzeitversorgung in einer Region umsetzen.

Wir fördern Pioniere, die für Deutschland innovative, umfassende und exzellente Gesundheitszentren zur Primär- und Langzeitversorgung in einer Region umsetzen.

Die Gesundheitszentren

2017 hat die Robert Bosch Stiftung begonnen, mit dem Programm PORT bundesweit elf Initiativen zu fördern, um lokale Gesundheitszentren zu etablieren. Die Förderung hat der Bosch Health Campus als Tochtereinrichtung der Stiftung inzwischen übernommen. Die Zentren sind angetreten, eine umfassende Grundversorgung der Bevölkerung in verschiedenen Regionen zu gewährleisten und eine bessere Versorgung von chronisch kranken Menschen aus einer Hand zu ermöglichen. Lernen Sie die Standorte näher kennen und gewinnen Sie Einblicke in die geförderten Initiativen: Berlin-Neukölln,  Brüggen,  Büsum, Dachau, Darmstadt-Dieburg, Hamburg-Veddel, Hohenstein, Hülben, Kassel, Märkische Höhe, Stuttgart, und Willingen-Diemelsee.

Berlin-Neukölln

In Berlin gibt es viele Ärzt:innen. Aber nicht überall. Die Sozialräume Rollbergsiedlung und Flughafenstraße im Stadtteil Neukölln haben einen hohen Anteil an Menschen mit einer Migrationsgeschichte, Diskriminierungserfahrung, prekären Wohn- und Arbeitsbedingungen sowie Armut. Ärzt:innen und passende Angebote zur Gesundheitsversorgung sind jedoch Mangelware. Genau hier hat das Gesundheitskollektiv Berlin e.V. (GeKo) ein PORT-Zentrum errichtet, in dem zusätzlich zur medizinischen Versorgung auch die sozialen Lebenswelten der Menschen berücksichtigt werden.

Um die 20.000 Menschen leben im Norden des Berliner Bezirks Neukölln, zwischen Rollbergstraße und Mittelweg. Der Sozialraum zeichnet sich durch seine große Vielfalt aus und ist in ständiger Veränderung. Etwa 70 Prozent der Anwohner haben eine Migrationsgeschichte, mehr als jeder Vierte ist jünger als 18 Jahre. Höchste Anteile – verglichen mit dem Rest Berlins – gibt es an Arbeitslosen, Empfängern von Transferleistungen und Kinderarmut. Niedrig hingegen ist die Anzahl an Ärzt:innen im Viertel. Dazu kommen eklatante Morbiditätsdaten: viele chronisch und mehrfach Erkrankte sowie eine hohe Säuglingssterblichkeit. Der Bedarf an einer umfassenden gesundheitlichen Versorgung ist hier groß. Deshalb engagiert sich hier das 2014 gegründete Gesundheitskollektiv Berlin. Im Dezember des Jahres 2020 hat das Kollektiv ein Stadtteilgesundheitszentrum auf dem Gelände der ehemaligen Kindl-Brauerei eröffnet. Hier hat die Baugenossenschaft TRNSFRM e.G. mit Unterstützung der Stiftung Edith Maryon ein Gebäude errichtet, das neben Praxisräumen auch Beratungsräume und gemeinschaftlich genutzte Flächen für Organisationen und Vereine aus dem Viertel beherbergt. Die Café Praxis dient als stets offene und größte Tür zum Zentrum sowie als niederschwellige Begegnungsstätte für alle Menschen im Quartier. Als PORT versorgt das GeKo Berlin von diesem Standort aus nicht nur pro Jahr etwa ca. 10.000 Menschen gesundheitlich, sondern versucht zusammen mit ihnen ihre Lebenswelten gesundheitsförderlicher zu gestalten. 

Das Gesundheitskollektiv Berlin e.V (Geko). wurde 2016 als ehrenamtliche Initiative von Menschen aus unterschiedlichen gesundheitlichen und sozialen Berufen gegründet. Ihre Motivation ist es, Gesundheit nicht nur als Ergebnis individueller Anstrengung, sondern in Abhängigkeit von Lebens- und Arbeitsbedingungen, Zugängen und Ausschlüssen – kurzum, sozialen Determinanten zu betrachten. Die sozialen Verhältnisse tragen zu einem wesentlichen Teil zu psychischen und körperlichen Erkrankungen bei. Menschen, die armutsbetroffen, geringer gebildet und beruflich schlechter gestellt sind, werden häufiger krank und sterben früher. 

Der Verein hat zum Ziel, nachhaltige Methoden der Gesundheitsversorgung für Menschen zu suchen, die von gesundheitlicher Ungleichheit betroffen sind: Für Menschen mit schlechtem sozioökonomischen Status, für Menschen, die einen erschwerten Zugang zu guter Versorgung haben, für Menschen, die in komplexen bio-psycho-sozialen Problemlagen stecken. 

Schließlich wurde ehrenamtlich das Konzept eines integrierten Stadtteilgesundheitszentrums entwickelt, in dem medizinisch-pflegerische, psychische und soziale Aspekte einer umfassenden Versorgung unter einem Dach angeboten werden, in dem Zugangsbarrieren niedrig sind und das weit in den Stadtteil hinein tätig ist. Es sollte ein Gesundheitszentrum als Ort der gesamtgesellschaftlichen Transformation hin zu guten Lebensbedingungen und Chancengerechtigkeit für alle geschaffen werden, ein Ort der Vernetzung und der Selbstorganisierung der Menschen aus dem Kiez.

Zu Beginn der Aktivitäten war das GeKo noch Außenseiter: Das Gesundheitssystem in Deutschland bietet kein Modell für eine ambulante, multiprofessionelle Primärversorgung in Kombination mit Verhaltens- und Verhältnisprävention. Es wurden ungewöhnliche Wege gegangen, um die Vision trotzdem umzusetzen.

Heute steht das Stadtteilgesundheitszentrum Neukölln zwischen der Neuköllner Rollbergsiedlung und dem Flughafenkiez. Die Wahl fiel auf diesen Starndort, daNeukölln im Vergleich der Berliner Bezirke besonders herausgefordert ist und die beiden Kieze innerhalb Neuköllns zu den belastetsten gehören. Dem interprofessionellen Team gehören aktuell ca. 70 Mitarbeitende an. 

Unter einem Dach gibt es interprofessionell und aufeinander abgestimmt folgende Leistungen und Angebote:

  • Allgemeinmedizinische Praxis, Kindermedizinische Praxis
  • Psychotherapeutin für Erwachsene und Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche
  • Psychologische Beratung für Erwachsene, Familienberatung, Sozialberatung, Gesundheits- und Pflegeberatung
  • kostenlose gesundheitsbildende Veranstaltungen im Zentrum und an anderen Orten im Stadtteil
  • kostenlose Angebote der Gesundheitsprävention im Zentrum sowie aufsuchend im Stadtteil 

Neben diesen Angeboten unter einem Dach wird Gesundheit ebenfalls durch eine integrierte Gemeinwesenarbeit im Zentrum sowie im Stadtteil gefördert. Ein zentraler Ansatz unserer Gemeinwesenarbeit ist das „Community Organizing“ (in 4 Schritten zur Selbstorganisation). 

Das Team unterstützt Partizipation und Gemeinschaft als zentrale Gesundheit bedingende Faktoren t, indem Angebote der Selbsthilfe und Selbstorganisation gemeinsam mit Communities und Klient*innen entwickelt werden: 

  • Roots Table Neukölln– Selbsthilfegruppe für Schwarze Menschen;
  • Selbsthilfegruppe für Erwachsene mit ADHS;
  • Offene Elterngruppe für Eltern mit Kindern im Alter bis 6 Jahre
  • offene Kreativgruppen für Menschen mit psychischen Belastungen;
  • Karategruppe für Jugendliche aus Familien mit erschwerten sozioökonomischen Bedingungen;
  • Niedrigschwellige Mitarbeit für Langzeitarbeitslose und selbstorganisierte Gruppe
  • Lebenserfahrene Menschen, die gemeinschaftlich und mit kreativen Methoden eine Landkarte ihres Stadtteils herstellen und dabei Gefühle, Erfahrungen und Biografien hineinweben;

Im Herzen des Gesundheitszentrums liegt der Begegnungs- und Informationsraum, die Café Praxis. Der Ort fungiert als niedrigschwellige Zugehstruktur mit integriertem Cafébetrieb und beherbergt die Räumlichkeiten für die oben genannten Gruppenaktivitäten. Hier wird die Methode des Social Prescribing, des sozialen Rezepts, erprobt, um Menschen in Aktivitäten im Zentrum und im Kiez zu vermitteln. Auch die Gemüsekiste aus solidarischer Landwirtschaft gibt es für Menschen mit begrenzten finanziellen Mitteln und unterstützt den ernährungsmedizinischen Bedarf auf Rezept. 

Ehrenamt und Engagement spielen im Zentrum eine bedeutende Rolle: inhaltlich werden die Angebote durch die aktivistischen Arbeitsgruppen stets weiterentwickelt: AG Pflege, AG Beratung, AG Diversität, AG Forschung und AG Politik.

Die Umsetzbarkeit der Idee und der Erfolg haben mittlerweile Politik und Gesundheitsversorgung inspiriert. Berlin hat nach Beispiel des GeKo ein Förderprogramm aufgesetzt, das die Gründung weiterer Primärversorgungszentren in anderen prekären Stadtteilen unterstützt. Die Verantwortlichen sind politisch aktiv, um für zukünftige Gesundheitszentren Strukturen zu schaffen, die Gründung und Betrieb leichter machen. Seit vielen Jahren wird ehrenamtlich die deutschlandweite Vernetzung von Gruppen organisiert, die ähnliche Pläne haben.

Für das Engagement im Gesundheitsbereich erhielt das Gesundheitskollektiv Berlin e.V. 2023 den Berliner Gesundheitspreis.

Das Projekt in Neukölln ist nicht nur Teil des Förderprogramms PORT des Bosch Health Campus der Robert Bosch Stiftung, sondern erhält weitere Unterstützung über Fördermittel und Projektgelder u.a. vom Landesprogramm für Integrierte Gesundheitszentren (LIG), dem Integrationsfonds, vom Quartiersmanagement, der Robert-Bosch-Stiftung, der Fernseh-Lotterie, dem Innovationsfonds des Bundesgesundheitsministeriums, der Heidehofstiftung und sind Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband Landesverband Berlin e.V.

Im Projekt NAVIGATION, gefördert durch den Innovationsfonds, wird ein zukunftsweisendes Versorgungsmodell entwickelt, das die fragmentierte ambulante Gesundheitslandschaft in Deutschland herausfordert. Viele Patient:innen stehen vor einem unübersichtlichen System mit zahlreichen Anlaufstellen, aber wenig Vernetzung – ob sie angemessen versorgt werden, hängt oft von ihrer individuellen Gesundheitskompetenz ab. Bei diesem Projekt wird gezeigt, dass es anders geht: mit Primärversorgungszentren (PVZ), die interprofessionell arbeiten und medizinische, psychologische sowie soziale Unterstützung unter einem Dach bündeln.

Zentral ist dabei die Rolle der Community Health Nurses (CHN), die dafür ausgebildet sind, individuelle Versorgungsplanung mit populationsbezogener Gesundheitsarbeit zu verbinden. In Hamburg/Veddel und Berlin/Neukölln wird dieses Modell in der Praxis – niedrigschwellig, wohnortnah und solidarisch organisiert. Nach 24 Monaten Pilotphase und Evaluation soll das Modell ab 2028 in die Regelversorgung überführt werden.

Das Ziel: eine gerechte, zugängliche und integrierte Gesundheitsversorgung für alle – unabhängig von Herkunft, Einkommen oder Bildungsstand.

Aktuell arbeitet im Geko Stadtteilgesundheitszentrum ein 70-köpfiges Team aus Ärzt:innen, medizinischen Fachangestellten, Psycholog:innen, Pflegekräften, Gesundheitswissenschaftler:innen, Sozialarbeiterinnen, Physio- und Ergotherapeut:innen, Erfahrungsexpert:innen und Sportpädagog:innen. Die Beteiligten leisten eine interprofessionelle und hierarchiearme Arbeit, die die Bewohner:innen teilhaben lässt und einbindet. 

Zur Webseite des Gesundheitskollektiv Berlin 

Dilek Erusta – Community Health Nurse
Ich bin Pflegefachperson mit über 25 Jahren Berufserfahrung in praktischer, leitender und anleitender Funktion. Mein beruflicher Weg ist geprägt durch fundierte pflegewissenschaftliche Qualifikation, langjährige Führungserfahrung und ein starkes Engagement für innovative, patient:innenenorientierte Versorgung. Im Gesundheitskollektiv verbinde ich Beratung, Versorgungskoordination und Gesundheitsförderung zu einem integrierten, sozialraumorientierten Ansatz. Als Social Media Nurse nutze ich digitale Kanäle zur Förderung von Gesundheitskompetenz, Professionalisierung der Pflege und Stärkung von Teilhabe und Sichtbarkeit im Gesundheitswesen

Levent Öztürk – Community Health Nurse
Als Gesundheits- und Krankenpfleger mit langjähriger Erfahrung im stationären und ambulanten psychiatrischen Bereich, einem Bachelor in Gesundheitswissenschaften sowie einem Master in Global Health, bringe ich vielfältige Perspektiven in meine tägliche Arbeit ein.
Im Mittelpunkt meiner Tätigkeit steht nicht nur die Behandlung von Krankheiten, sondern vor allem die Förderung von Gesundheit – im ganzheitlichen Sinne. Dabei orientiere ich mich an den individuellen Ressourcen und Lebensrealitäten der Menschen, die zu uns kommen. Denn Gesundheit geschieht nicht im luftleeren Raum: Sie ist immer eingebettet in biografische, soziale und kulturelle Kontexte.
Als Community Health Nurse sehe ich mich als Bindeglied zwischen medizinischer Versorgung und dem Alltag der Patient*innen. Ich unterstütze dabei, gesundheitliche Herausforderungen besser zu verstehen, eigene Stärken zu nutzen und gemeinsam passende Wege im Umgang mit Belastungen oder Erkrankungen zu finden.

Milena Holzer – Koordinatorin für die interprofessionelle Zusammenarbeit im Zentrum
Milena Holzer ist im Gesundheitskollektiv Berlin für die Koordination der interprofessionellen Zusammenarbeit zuständig. Mit einem Master in Ergotherapie und jahrelanger beruflicher Erfahrung in der komplexen Versorgung v.a. neurologisch betroffener Patient*innen in verschiedenen Settings (akut bis Reha) bringt sie ihr vielfältiges praktisches und theoretisches Wissen kombiniert im Geko ein. Die Interprofessionelle Zusammenarbeit als zentrales Moment der Versorgung im ambulanten Setting mitaufzubauen und als Standard zu setzen ist ihr ein Anliegen.

Kirsten Schubert, Ärztin
Kirsten Schubert ist Fachärztin für Allgemeinmedizin im Gesundheitszentrum und Kollektivmitglied der ersten Stunde. In der Praxis ist sie jeden Tag mit dem Zusammenhang zwischen Lebensbedingungen und Gesundheit konfrontiert. „Wenn Menschen Sorgen und Existenzängste haben oder von Diskriminierung betroffen sind bringen sie dies mit in die Sprechstunde. Die Zusammenarbeit in unserem multiprofessionellen Team ermöglicht es uns, diese Personen viel besser zu betreuen als ich es alleine könnte“. Sie schätzt die Zusammenarbeit mit dem Case Management besonders für multimorbide Patient:innen und kann sich keinen besseren Arbeitsplatz vorstellen.

Ali Kantouri, Community Organizing für Kinder und Jugendliche mit dem Schwerpunkt Sport
Der passionierte Sportfachmann und ehemalige Leistungssportler bietet Kindern und Jugendlichen im Stadtteil Sport- und Bewegungsangebote für alle an. Offene Angebote, die sich nach den Bedarfen der Kinder richten, ohne Druck und Pflicht. „Ich erreiche die Kinder über Sport und Spaß an der Bewegung. Das ist gesund und schafft Vertrauen“. Ali ist mittlerweile eine feste Institution im Kiez und Ansprechpartner für vieles und viele. Über ihn finden Menschen Zugang zum Gesundheitszentrum, die sonst nicht kämen.

Dr. Patricia Hänel, Konsortialführung Innovationsfondsprojekt
„Wir wollen Gesundheitszentren deutschlandweit ermöglichen.“ Die Ärztin und Projektmanagerin sieht das Gesundheitszentrum Neukölln als Prototyp für ein neues Konzept der Primärversorgung. Sozialraumorientiert, multiprofessionell und barrierearm muss eine Versorgung sein, die Menschen mit komplexen Herausforderungen erreicht. Dafür setzt sich das Gesundheitskollektiv auch deutschlandweit politisch ein.

Berlin-Neukölln
Claudia Catalan

Im Berliner Bezirk Neukölln ist der Bedarf an einer umfassenden gesundheitlichen Versorgung groß. Deshalb engagiert sich hier das Gesundheitskollektiv Berlin, ein multiprofessionelles Netzwerk aus Fachkräften vor allem des Gesundheits- und Sozialwesens.

Brüggen

An der Grenze zu den Niederlanden im Kreis Viersen liegt die „Burggemeinde Brüggen“. Die Entfernungen innerhalb der Flächengemeinde mit ihren rund 16.000 Einwohnern sowie die alternde Bevölkerung erfordern neue Ansätze für eine koordinierte und patientenorientierte Versorgung.

Mitten in Brüggen befindet sich das Hausarztzentrum, eine Gemeinschaftspraxis für Allgemeinmedizin, deren Ursprung über 80 Jahre zurückliegt. Seit dem Jahr 2000 wurde die Praxis konsequent zu einem Gesundheitszentrum weiterentwickelt, in dem nichtärztliche und ärztliche Heilberufe gemeinsam Patienten versorgen. Zudem wurde das Medizinische Versorgungszentrum MVZ Schwalm Nette als übergeordnete Einheit mit mehreren Standorten gegründet. Der nächste Schritt: Es soll ein PORT-Zentrum entstehen.

An mehreren Standorten sind acht Ärzte mit Spezialisierungen für die allgemeinmedizinische Versorgung und 39 weitere Mitarbeiter beschäftigt. Das Hausarztzentrum deckt folgende Bereiche ab: Palliativmedizin, Diabetologie, Wundmanagement, kleine Chirurgie, Ernährungsmedizin, Präventionsmedizin, Geriatrie.

Die Patientenorientierung hat einen hohen Stellenwert. Das zeigt sich u.a. in Schulungen und Informationsveranstaltungen. Knapp 40 Prozent der 8000 Patienten pro Quartal sind über 60 Jahre, von diesen wiederum sind mehr als 1000 Patienten über 80. Die Versorgung dieser oft chronisch Kranken ist die größte Herausforderung für die künftige Arbeit.

Mehrere PORT-Kriterien setzt das 20-köpfige Projektteam aus Ärzten, Pflegekräften, Physiotherapeuten, Heilmittelerbringern, Sozialarbeitern sowie Gesundheits- und Krankenpflegern um. Es steht für eine interprofessionelle Arbeit auf Augenhöhe, die die Patienten teilhaben lässt und einbindet. Zudem ist eine erfahrene Mitarbeiterin für Soziales präventiv tätig. Hausbesuche von Ärzten werden hin zu einer examinierten Kraft verlagert, die Heim-und Hausbesuchspatienten regelmäßig aufsucht und betreut. Zu den neu eingeführten, regelmäßigen Teamsitzungen kommen auch externe Experten hinzu. 

Weiteres Standbein ist der Einsatz von E-Health-Instrumenten. Es wurde eine eigene App entwickelt, um Rezepte zu bestellen. Darüber sind auch alle für den Patienten relevanten Dokumente aus dem Verwaltungssystem abrufbar, zum Beispiel der Medikationsplan. Geplant ist der Einsatz eines elektronischen Anamnesebogens, welchen die Patienten per SMS, E-Mail oder in der Praxis direkt per QR-Code auf ihr Gerät erhalten, um vor der Konsultation des Arztes das Krankheitsbild genauer zu beschreiben und damit eine gezieltere und schnellere Behandlung zu erreichen. 

Die Brüggener pflegen intensiv den Austausch mit den politischen Gremien. Es geht u.a. darum, die Gemeinden auf die Übernahme der Kosten für die Koordination (Case Management) und das Aufsuchen hochbetagter Patienten durch eine Krankenschwester (Care Management) vorzubereiten. 

Zur Webseite des Hausarztzentrums Brüggen

Dr. Johann Heinrich Arens, Allgemeinmediziner 
40 Jahre Berufserfahrung, Gründer des Gesundheitsnetzes Viersen und jahrzehntelange Erfahrung in den Gremien der KV. Im Jahr 2000 übernahm er die Hausarztpraxis Brüggen. Geprägt durch Erkenntnisse aus dem europäischen Ausland hat er den Bau eines Gesundheitszentrums im Ortszentrum durchgesetzt.

Gaby Jannsen
Seit 30 Jahren in der Praxis. Beruflich Entwicklung von der MFH zur Diabetes-Assistentin und dann zur MVZ-Geschäftsführerin. Sie kümmert sich um alle organisatorischen Aspekte des Projekts.

Ellen Höveler
Sie kommt aus der sozialen Arbeit und hat u.a. in sozialen Brennpunkten im Ruhrgebiet gearbeitet. Sie bringt Ihre Kompetenz im Case Management für Familien ein. 

Silke Nickel
Die Krankenschwester mit langjähriger, auch internationaler Erfahrung in neurologischer Rehabilitation, Wundmanagement und anderen Fachbereichen verstärkt das Projektteam durch ihre Fachlichkeit.

Claudia Schrewe
Sie berät das Team in Grundsatzfragen, moderiert Workshops und kümmert sich um die Beziehungen zur politischen Ebene.

Mühle und Stadttor in Brüggen
Marcel Kühlewind

Büsum

Hoch im Norden möchte die Gemeinde Büsum mit ihrem PORT-Projekt ein Gesundheitsnetz auswerfen, das für die Bewohner und Gäste vor Ort eine umfassende Versorgung vorsieht – von Prävention und Gesundheitsförderung bis hin zur Pflegebetreuung.

Gute Luft, ganz viel Wattenmeer, frische Krabben und jede Menge weites Land. Davon hat die Gemeinde Büsum im Landkreis Dithmarschen reichlich zu bieten. Aber eine Ressource drohte auszugehen: Ärzte. Vor ein paar Jahren näherten sich vier der fünf Büsumer Hausärzte dem Rentenalter – und fanden für ihre Praxen in der abgelegenen Provinz keine Nachfolger. Eine Katastrophe für die etwa 4.800 Bewohner, von denen heute bereits die Hälfte mehr als 60 Jahre alt ist, und problematisch mit Blick auf die 20.000 Urlaubsgäste täglich in den Sommermonaten.
2015 beschloss der Gemeinderat zu handeln: Er bot den Hausärzten an, ihre Praxen zu übernehmen und sie anzustellen. Die Gemeinde kaufte und modernisierte das bestehende Ärztehaus gleich hinter dem Deich und eröffnete 2016 das erste kommunale Hausarztzentrum Deutschlands. Inzwischen sind zwei der älteren Ärzte in Rente gegangen – und junge Nachfolger eingestellt. Diese schätzen die geregelten Arbeitszeiten, den Austausch mit Kollegen, die Möglichkeit der Teilzeit-Arbeit und damit die Vereinbarkeit von Beruf, Freizeit und Familie. Trotzdem weiß man in Büsum, dass noch mehr getan werden muss, um Ärzte und Fachpersonal langfristig zu gewinnen und zu halten – und die Patienten rundum und aus einer Hand zu versorgen. Nach den ersten Erfolgen des Ärztezentrums, zu dem auch eine Apotheke und eine Physiotherapiepraxis gehören, und der Auswahl als PORT-Projekt, blickt die Gemeinde positiv in die Zukunft ihres Gesundheitswesens. 

Als PORT-Initiative möchte die Gemeinde in den kommenden Jahren ihr Gesundheitswesen weiter nachhaltig verbessern. Dafür erweitert sie das Gebäude und schafft Schulungsräume für chronisch Kranke, Kinder, Jugendliche und Pädagogen, ehrenamtlich Tätige und gesundheitsinteressierte Bürger sowie Urlaubsgäste. Außerdem stellt sich PORT Büsum multiprofessionell auf: Sogenannte NäPas (Nichtärztliche Praxisangestellte) entlasten die Hausärzte, indem sie – nach entsprechender Weiterbildung – Aufgaben wie Kontrollmessungen, Blutentnahmen und Hausbesuche übernehmen. Außerdem hat die Gemeinde eine Case Managerin eingestellt, die die Krankengeschichte erfasst, erste Untersuchungen anstellt, bei Bedarf Folge- und Kontrolltermine organisiert, Angebote für Schulungen oder Programme macht und Kontakt zur Pflegeberatung herstellt. Ein weiterer Punkt der PORT-Entwicklung ist die stärkere Einbindung von Telemedizin. So könnten mit einer speziellen Kamera hochaufgelöste Bilder beispielsweise während eines Hautscreenings gemacht und an den Facharzt übermittelt werden. 
Werden alle Ziele erfolgreich umgesetzt, erhofft man sich in Büsum, nicht nur ein attraktiver Gesundheitsstandort für die Bürger zu sein, sondern auch für die Erbringer von Gesundheitsleistungen.

Harald Stender, Koordinator ambulante Versorgung Kreis Dithmarschen 
Harald Stender kämpft als „Koordinator ambulante Versorgung“ gegen die medizinische Verarmung im Kreis Dithmarschen – und für die Umsetzung des PORT-Projekts in Büsum. „Das, was PORT jetzt fördert, ist vorausschauend. Wir werden einen großen Bedarf und zugleich Mangel an Ärzten bekommen“, prophezeit er. „Dann werden wir genau das brauchen, was wir mit PORT heute schon in Ansätzen nach vorne bringen: mehr Entlastung der Ärzte durch NäPas und Case Manager, die Einbindung von Sozialarbeitern und ehrenamtlichen Helfern, mehr Präventionsmaßnahmen und vor allem eine auf den Menschen zugeschnittene, verbindliche Beratung.“ 

Volker Staats, Arzt für Innere Medizin
„Wir haben in Deutschland ein gutes Gesundheitssystem. Aber das bessere ist der Feind des Guten.“ Als PORT-Projekt möchte Staats dahinkommen, dass Ärzte mehr Kompetenzen delegieren dürfen und zugleich den Austausch mit multiprofessionellen Kollegen intensivieren. Wegkommen möchte der Hausarzt davon, nur ein Reparaturbetrieb zu sein. „Dafür müssen wir zum einen Maßnahmen zur Prävention und Gesundheitsförderung anbieten, zum anderen den Menschen nicht nur als Patienten betrachten, sondern auch sein soziales und familiäres Umfeld im Blick haben.“ Staats freut sich auf die neuen Herausforderungen. 

Kim Ehmke, Nichtärztliche Praxisassistentin (NäPa)
Die ehemalige Arzthelferin hat eine Weiterbildung zur Nichtärztlichen Praxisassistentin gemacht. Dadurch hat sich ihre Arbeit enorm verändert. „Nun können die Ärzte Dinge auf mich delegieren, wie zum Beispiel Hausbesuche.“ Regelmäßig fährt sie mit dem Elektroauto des Gesundheitszentrums vor allem zu chronisch Kranken in der Umgebung. Als NäPa darf sie z.B. eigenständig Gerinnungswerte messen, Langzeitmessungen anlegen und ablesen, Laborwerte ermitteln und bestimmte Tests durchführen. „Damit können wir die Ärzte entlasten, aber auch einen guten Service für die Patienten bieten“, erzählt Ehmke. 

Kerstin Weiser-Hagelstein, Fachärztin für Allgemeinmedizin
Für die Hausärztin sieht die Zukunft des Gesundheitswesens stärker patientenorientiert aus. „Wir müssen uns fragen, was und wer kann dem Patienten am besten helfen. Dabei werden soziale Aspekte immer wichtiger.“ Sie erhofft sich einen noch besseren Austausch mit ihrem interdisziplinären Team, aber auch die Einbindung von ehrenamtlichen Helfern und Angeboten. „Gerade chronisch Kranke sprechen auf multimodale Konzepte gut an: Oft lindert es ihre Schmerzen, wenn sie regelmäßig unter Leute kommen, sich bewegen oder an Schulungen teilnehmen.“ 

Büsum
Tobias Bohm

Als PORT-Initiative möchte die Gemeinde in den kommenden Jahren ihr Gesundheitswesen weiter nachhaltig verbessern. Dafür erweitert sie das Gebäude und schafft Schulungsräume.

Dachau

Im Landkreis Dachau mit insgesamt rund 150.000 Einwohnern gibt es viele ländliche Gemeinden. In der Großen Kreisstadt selbst leben viele Pendler und junge Familien. Seit rund 20 Jahren setzt der MVZ Verbund Dachau auf kooperative, patientenorientierte Versorgungsmodelle für die Gesundheitsversorgung in der Fläche. Sie werden nun vernetzt.

Der MVZ Verbund Dachau betreibt an 13 Standorten einen überregionalen medizinischen Versorgungsverbund mit 71 Ärzten in den Fachgebieten Allgemeinmedizin, Innere Medizin, Kardiologie, Pneumologie, Gastroenterologie, Neurologie, Psychiatrie, Gynäkologie, Homöopathie, Geriatrie, Palliativmedizin, Naturheilkunde, Sportmedizin, Psychotherapie und Arbeitsmedizin. Insgesamt arbeiten 270 Personen verschiedener Berufsgruppen im MVZ Verbund, darunter jedes Jahr 15 Auszubildende in den Berufen Medizinische Fachangestellte und Kaufleute im Gesundheitswesen. Die Praxis ist zudem Lehrbeauftragte der Ludwigs-Maximilians-Universität München und Weiterbildungsberechtigte für die bayerische Landesärztekammer in den genannten Fachgebieten. 

Einige Konzepte konnten bereits erfolgreich umgesetzt werden: gemeinsame Behandlungspfade, eine gemeinsame IT-Plattform, gemeinsamer Fahrdienst, fachärztlicher Hausbesuchsdienst, praxisübergreifender Sozialdienst sowie ein ambulantes geriatrisches und palliatives Versorgungsteam. Auch ein Pflegeheimversorgungsplan und das Zentrum für nichtärztlichen Betreuungsdienst gehören zum umfassenden Angebot.

Mehrere PORT-Ziele hat man sich in Dachau gesetzt: ein Zentrum für Telemedizin und innovative Medizin sowie die Vernetzung von Präventionsmanagement und betrieblicher Versorgung für die zahlreichen vor Ort ansässigen Unternehmen; alles zusammengeführt in einem Versorgungskonzept. Die Vernetzung der vorhandenen Strukturen wird die hauseigene Akademie leisten. Eine fach- und professionsübergreifende Versorgung erfordert einen hohen Schulungssaufwand und neue Schulungskonzepte, die alle Professionen erreichen müssen. Mehr als 15 medizinische Fachgebiete, Sozialarbeiter, Versorgungsassistentinnen, Gesundheitsmanager sowie Gesundheits- und Krankenpfleger sind beteiligt. Durch die gezielte Auswertung der Behandlungsdaten können neue Bedarfe gefunden, entwickelt und umgesetzt werden. 

Voraussetzung für den Erfolg des multiprofessionelles Teams ist ein effektives Schnittstellenmanagement durch ein interagierendes Praxisteam, das gelernte Maßnahmen und immer wieder aktualisierte Abläufe der interdisziplinären Zusammenarbeit selbständig umsetzt und dadurch die Versorgung im Sinne des Patienten optimiert. Durch Schulungen, praxisinterne Handbücher und technische Tools sollen Behandlungspfade besser gesteuert und weiterentwickelt werden. Deren gezielte Planung und Auswertung dient u.a. der besseren Steuerung von Ressourcen. Auch an die wissenschaftliche Auswertung des Schulungs- und Strukturmanagements wurde gedacht. Die Dachauer sehen hier einen wichtigen Beitrag zur Versorgungsforschung innerhalb kooperativer Versorgungsmodelle.
Zur Webseite des MVZ Dachau

Dr. Karl Wilhelm, ärztlicher Leiter des MVZ Verbundes Dachau
Der Internist hat die Projektleitung inne. Er setzt die Meilensteine für die verschiedenen Konzepte, erhebt Statusprüfungen und sichert den Informationsaustausch im MVZ Verbund. Außerdem übernimmt er das Projektcontrolling. 1997 erhielt er die Niederlassung in der Gemeinschaftspraxis Dachau.

Bettina Reindl, Gesundheitsmanagerin und Leitung MVZ Verbund Akademie 
Verantwortlich für die Projektsteuerung. Sie erarbeitet mit Fitore Kurtaj und den Abteilungen die Handlungskonzepte, die an alle Mitarbeiter weitergetragen werden. 2014 übernahm die studierte Gesundheitsmanagerin die Leitung der neu gegründeten Abteilung MVZ Verbund Akademie. 

Fitore Kurtaj, Gesundheits- und Sozialmanagerin
Sie kümmert sich um Schulungskonzepte für die Mitarbeiter und wirkt an deren Implementierung im Verbund mit. Arbeitet seit 2008 im MVZ Dachau und hat 2019 ihr Studium in Gesundheits- und Sozialmanagement abgeschlossen. 

Simone Markt, Gesundheits- und Sozialmanagerin
Sie übernimmt die Auswertungen der zahlreichen Daten, die der Erreichung der Projektziele dienen.

Darmstadt-Dieburg

Im Landkreis Darmstadt-Dieburg leben rund 300.000 Menschen in 23 Kommunen. Der Landkreis betreibt zwei Kliniken, eine Seniorendienstleistungs GmbH und das Zentrum der Medizinischen Versorgung Darmstadt-Dieburg (MVZ) GmbH mit mehreren Standorten. Sie sind zentrale Bausteine des kreiseigenen Versorgungskonzepts 2025.

2014 gründete der Landkreis das erste kommunale (landkreiseigene) MVZ in Deutschland am Standort Ober-Ramstadt. Deutliche Zahlen hatten die Entscheider von diesem Schritt überzeugt: 2030 wird nahezu jeder fünfte Einwohner im Landkreis zwischen 65 und 79 Jahre und jeder zehnte Einwohner älter als 80 Jahre sein. Außerdem wird knapp jeder 20. Einwohner auf Pflege angewiesen sein. Hausärzte sind im Durchschnitt 57 Jahre alt. Bis 2030 werden zwei von drei in den Ruhestand gehen. 

Heute gibt es – einschließlich Ober-Ramstadt mit dem hausärztlich-internistischen Schwerpunkt – sieben MVZs an sechs verschiedenen Standorten. Die MVZs arbeiten ähnlich wie Gemeinschaftspraxen, bieten aber verschiedene Fachrichtungen unter einem Dach. Die behandelnden Ärzte erbringen ihre Leistungen in engem Kontakt mit den Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg. Diese Zusammenarbeit bietet die Chance zur ständigen Weiterbildung und dient der bestmöglichen Versorgung der Patienten. 

Im Positionspapier „Zukunft Gesundheit. Gemeinsam medizinische Versorgung und Pflege sichern im Landkreis Darmstadt-Dieburg“ haben die Verantwortlichen ihre Marschroute niedergelegt. 

Das MVZ in Ober-Ramstadt wurde entsprechend der PORT-Kriterien zu einem Primärversorgungszentrum (PVZ) ausgebaut. Eine wichtige Säule ist der Einsatz nicht-ärztlicher Mitarbeitenden im Sinne des multiprofessionellen Teams: hier sind es zwei ambulante Case Manager und zwei nichtärztliche Praxisassistentinnen. Behandlung im Wohnzimmer statt beschwerlicher Weg zum Arzt, lautet das Motto. Die neuen Mitarbeiter/innen machen es möglich, dass ein Großteil der (regelmäßigen) Untersuchungen für ältere, multimorbide Menschen in den eigenen vier Wänden statt im Behandlungszimmer durchgeführt werden können. Die Case Manager sind Pflegefachpersonen und fungieren in der CHN-Rolle als Bindeglied zwischen Patient, Angehörigen, Physiotherapeuten, Pflegestützpunkt, Geriatrie sowie den Ärzten. 

Neue Versorgungsangebote und -strukturen insbesondere für die geriatrischen Patienten und für Patientengruppen mit chronischen Erkrankungen sind etabliert, dies ist dem Landkreis ein großes Anliegen. Das MVZ in Ober-Ramstadt dient als geriatrische Schwerpunktpraxis und folgt einem eigenen Geriatriepfad in der Versorgung. Auch ein Prä-Diabetes-Pfad ist umgesetzt. Regelmäßige Bewegungs- und Ernährungsschulungen sowie zwei Post-Covid Selbsthilfegruppen finden kostenfrei für Patientinnen und Patienten statt.

Zukünftig ist die Verstetigung der Projekte und der flächendeckende Ausbau der Angebote über den gesamten Landkreis ein Ziel.

Weitere Bausteine der übergeordneten Strategie sind innovative Arbeits- und Organisationsmodelle für alle Fachkräfte, um sie für eine angestellte oder selbstständige Niederlassung in strukturschwächeren Gemeinden des Landkreises zu gewinnen.

Näheres unter: 

Klaus Peter Schellhaas, Landrat des Landkreises Darmstadt-Dieburg
Klinikdezernent seit über 12 Jahren. Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im Hessischen Landkreistag. „Mein Anspruch ist, dass die Menschen in der Region dank innovativer Angebote eine gute wohnortnahe medizinische Versorgung erhalten.“

Pelin Meyer, Geschäftsführerin MVZ und Betriebsleiterin Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg
Projektleitung, Fachanwältin für Medizinrecht. „Durch das Projekt können wir heute Antworten auf die Frage entwickeln, wie wir die medizinische Versorgung im Landkreis auch mit weniger Ärzten qualitativ hochwertig aufrechterhalten können.“

Alexander Noll, Manager MVZ 
Der Naturwissenschaftler leitet die medizinischen Versorgungszentren des Landkreises. „Die multiprofessionelle Versorgung unserer Bevölkerung vor Ort wird zunehmend wichtiger. Die Förderung ermöglicht uns, als Vorreiter in Deutschland neue Projekte umzusetzen.“ 

Support Darmstadt
Schunck / Dölker

Hamburg-Veddel

Vor über 200 Jahren weidete auf den Elbinseln Milchvieh. Vor gut 100 Jahren warteten hier unzählige Auswanderer in riesigen Hallen auf die Überfahrt nach Amerika. Heute nennt die Website der Stadt Hamburg den Stadtteil ein „multikulturelles Dorf in Insellage“. Die Gesundheitsversorgung ist jedoch weniger idyllisch und zeigt deutlichen Handlungsbedarf.

Die Veddel, eingerahmt von Bahngleisen und Autobahnen, zählt zu den ärmsten Stadtteilen Hamburgs und ist stark durch große Industrieansiedlungen geprägt. Jeder Vierte der rund 4700 Bewohner aus 50 Nationen lebt von Transferleistungen. Dennoch gibt es eine gute Nachbarschaft und Vernetzung: man kennt sich.

Die Poliklinik Veddel versteht sich als Kollektiv. Sie ist ein Stadtteilgesundheitszentrum mit allgemeinärztlicher Versorgung, Sozial- und Gesundheitsberatung, Community Health Nursing, Hebammenversorgung und psychologischer Beratung. Außerdem ist die Poliklinik ein Treffpunkt für alle, die sich um ihre Gesundheit und um ein gutes Leben auf der Veddel kümmern wollen. Neben der konkreten Behandlung und Beratung geht es um die Ursachen, warum Menschen hier so früh so krank werden. Die Mitarbeitenden in der Primärversorgung, aus dem Gemeinwesen und der Forschung arbeiten alle eng zusammen. Die Poliklinik Veddel suchen viele vergleichsweise junge (unter 50 Jahre) chronisch kranke Menschen auf. Als man Anfang 2017 startete, gab es hier keine Apotheke und nur einen Allgemeinarztsitz. Bis heute fehlen Fachärzt:innen. Zum Kollektiv zählen aktuell 40 Personen – aus den Berufsbereichen Community Health Nursing, MFA, Krankenpflege, Rechts- und Politikwissenschaften und Linguistik. Dazu kommen Primärärzt:innen aus Allgemeinmedizin, Innerer Medizin und Pädiatrie sowie weitere Fachärzt:innen der Gynäkologie und Psychiatrie. Ebenfalls Bestandteil dieses vielfältigen Teams sind Fachkräfte aus dem Bereich Kommunikationsdesign, Shiatsu-Lehre, Sozialarbeit, Erziehungswissenschaften, Psychologie, Tischlerei und Psychotherapie und EX-IN-Genesungsbegleitung. Das Gesundheitszentrum will gestaltenden Einfluss auf die Lebensverhältnisse der Menschen vor Ort nehmen. Denn, „Gesundheit ist eine soziale Frage“, so die Überzeugung der Akteur:innen.

In den vergangenen Jahren wurde viel erreicht: Mittlerweile ist das Stadtteilgesundheitszentrum Poliklinik Veddel fest im Stadtteil und darüber hinaus etabliert. Die Versorgungssituation vor Ort hat sich deutlich verbessert. Gesundheits- und Sozialberatung, psychologische Beratung, Psychotherapie, hausärztliche und Hebammenversorgung und Community Health Nursing findet in enger interprofessioneller Zusammenarbeit mit wöchentlichen Fallbesprechungen, gemeinsamen Fortbildungen und Sprechstunden statt. Im BMBF-geförderten Forschungsprojekt unter Leitung von Prof. Dr. Petersen-Ewert „Community Health Nursing in der Stadt“ (CoSta) wurde in Kooperation mit der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW Hamburg) erstmalig in Deutschland eine CHN-geleitete Versorgung praktisch durchgeführt und evaluiert. Mehr Informationen unter CoStaProjekt CHN Handlungsempfehlungen.pdf

Zusätzlich zur interprofessionellen Versorgung wurden in den letzten Jahren sowohl der Bereich der partizipativen Gesundheitsforschung als auch der Bereich Gesundheitsförderung und Prävention in der Poliklinik Veddel verankert. Gemeinsam mit Stadtteilforscher:innen wurde beispielsweise der Community Health Survey Veddel entwickelt, um die kleinräumige Gesundheitsberichterstattung zu verbessern und auf dieser Grundlage Angebote und Interventionen erarbeiten zu können. Die Ergebnisse des Community Health Survey Veddel zeigen unter anderem die weite Verbreitung von schwerwiegenden psychischen Belastungen im Stadtteil sowie die negativen Auswirkungen von schlechten Wohnbedingungen und Diskriminierungserfahrungen auf das gesundheitliche Wohlbefinden auf. Zur Webseite des Forschungsprojekts www.veddel-wie-gehts.de

Im Bereich der Gesundheitsförderung wird in enger Zusammenarbeit mit Nachbar:innen, weiteren Einrichtungen aus dem Stadtteil und dem ÖGD (besonders dem Kommunalen Gesundheitsförderungsmanagement im Bezirk Hamburg-Mitte) daran gearbeitet, gesundheitsförderliche Angebote zu schaffen und vor allem, die Lebensbedingungen im Stadtteil zu verbessern.

 Die Poliklinik Veddel verfügt mittlerweile über 5 Standorte auf der Elbinsel. Ziel ist die Zusammenführung in einem Standort. Erfreulicherweise wird die Bedeutung der Einrichtung auch vom Bezirk Hamburg-Mitte und der Freien und Hansestadt Hamburg gesehen. Im Planungsprozess des Stadtteilzentrums Veddel, in das die gesamte Poliklinik Veddel einziehen wird, geht es gut voran. Mit Baubeginn kann 2026 gerechnet werden. Dann sollen zusätzlich zu Allgemeinmedizin auch Pädiatrie und Gynäkologie im Stadtteilgesundheitszentrum angeboten werden.

Neben dem Ausbau des Gesundheitszentrums in allen Bereichen geht es den Mitarbeitenden der Poliklinik Veddel in Kooperation mit anderen PORT-Zentren um die bundesweite Etablierung von interprofessionellen Primärversorgungszentren. Mit dem Innovationsfondsprojekt NAVIGATION wird seit August 2024 ein wichtiger Schritt in diese Richtung gegangen: Mit NAVIGATION zielt die Poliklinik Veddel darauf ab, Primärversorgungszentren strukturell im deutschen Versorgungssystem zu verankern. Gemeinsam mit dem GeKo - Stadtteil-Gesundheits-Zentrum Neukölln in Berlin entwickelt und erprobt sie ein interprofessionelles Versorgungsmodell, das Standards für den Aufbau künftiger PVZ setzen und zur Skalierbarkeit des Modells beitragen soll. Den Ergebnissen der CoSta-Studie folgend leiten die CHN den interprofessionellen Versorgungsprozess. Ein zentraler Projektbestandteil ist die gemeinsame Dokumentation in einer Software. NAVIGATION wird vom Gemeinsamen Bundesausschuss gefördert und von der Charité evaluiert. Das Projekt läuft bis Oktober 2027. Mehr Informationen unter: Navigation im PVZ

Näheres unter: www.veddel-wie-gehts.de

Tobias Filmar, Koordinator multiprofessionelle Zusammenarbeit, psychologische Beratung
Der Diplompsychologe, Tischler und angehende Psychotherapeut beschreibt sinnvolle ambulante Versorgung als „interprofessionell unter einem Dach“. So entstehen stetige Synergieeffekte zwischen den einzelnen Berufsgruppen. Durch die interne Vermittlung gehen keine Klienten verloren. 

Verena Barchfeld, Fachärztin für Innere Medizin
In der Allgemeinarztpraxis sieht sie täglich, „dass die Menschen auf der Veddel die enorme Ungleichverteilung des Wohlstands in unserer Gesellschaft auf bittere Weise am eigenen Körper erleben: Sie sind im Durchschnitt sehr viel früher von schwereren und chronischen Krankheiten betroffen.“

Lukas Waidhas, Community Health Nurse
„Die Versorgungsbedarfe sind viel zu komplex geworden, um sie allein hausärztlich lösen zu können“, sagt Lukas Waidhas. Seiner Meinung nach müssen wir von anderen Ländern lernen, denn international steht die Relevanz von akademisierten Pflegekräften auf Masterniveau – wie z.B. Community Health Nurses – für eine flächendeckend hochprofessionelle Versorgung außer Frage.

Milli Schroeder, Projektkoordination und Verwaltung
Sie übernimmt in der Poliklinik Veddel eine Schnittstellenfunktion und stellt fest: „Der Ansatz Health in all Policies ist fast 40 Jahre alt. Wir müssen dafür sorgen, dass dies endlich von der Politik und den Behörden umgesetzt wird, sonst werden wir keine signifikante Verminderung der gesundheitlichen Chancenungleichheit erreichen.“

Laura Pietrowski (Gesundheits- und Sozialberatung) 
Die Sozialarbeiterin meint: "Wir brauchen eine Politik, die sich gegen Armut und Ausgrenzung einsetzt, das sind die größten Gesundheitsrisiken."

Poliklinik Hamburg Vedel von außen

Hohenstein

Vielleicht ist es gerade die Abgeschiedenheit von Hohenstein hoch oben auf der Schwäbischen Alb, die dafür sorgt, dass die Gemeinde gerne Dinge selber in die Hand nimmt. Dabei kann sie auf engagierte, aktive Bürger zählen, die sich für ihr PORT Gesundheitszentrum einsetzen.

Hat man es erst einmal über die Serpentinen und Anstiege auf die Hochfläche der Schwäbischen Alb geschafft, wellt sich die Landschaft nur noch sanft. Zwischen Wiesen, Heide und Wacholderbüschen ducken sich kleine Orte mit roten Dächern in flache Täler. Darunter auch die fünf Dörfer der Gemeinde Hohenstein, etwa 70 Kilometer südlich von Stuttgart. Gefühlt aber befindet sich die Region fernab jeder Großstadt und Hektik – und fernab eines gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehrs. Scherzhaft sagt man hier, dass jeder Hohensteiner ab Geburt Auto fahren kann. Deshalb ist für die rund 3.800 Einwohner eine gute Versorgung vor Ort wichtig – auch gesundheitlich. 

Vor einigen Jahren war die Gemeinde Hohenstein eine von drei Modellgemeinden, die den landkreiseigenen Zertifizierungsprozess „Gesunde Gemeinde - Gesunde Stadt“ mit entwickelt haben. Dieser kommunale Entwicklungsprozess geht bis heute kontinuierlich weiter - die Gemeinde erwarb 2024 das Zertifikat „Gesunde Gemeinde PLUS“. 

Dieses Engagement für die Gesundheit schlug sich auch in der Frage nieder, ob die gesundheitliche Versorgung für die Bürgerinnen und Bürger nachhaltig gesichert sei. Im Wissen darum, dass besonders der ländliche Raum hier vor Herausforderungen steht, und dass zu einer guten Gesundheitsversorgung mehr gehört als nur die Sicherung von Arztpraxen, hat die Gemeinde Hohenstein zusammen mit dem Landkreis Reutlingen seit 2019 dank der Förderung durch die Robert Bosch Stiftung und des Bosch Health Campus das PORT Gesundheitszentrum Schwäbische Alb Hohenstein mit dem Schwerpunkt Gesundheitsförderung und Prävention gegründet. 

Getragen wird das Zentrum von einer Verantwortungsgemeinschaft, bestehend aus 

  • den Gesundheitsakteuren vor Ort (dem PORT-Team),
  • dem Investor und Vermieter (Hans Schwörer-Stiftung),
  • sowie der kommunalen Ebene (Gemeinde und Landkreis).

Das PORT Gesundheitszentrum Schwäbische Alb Hohenstein ist in seiner Konzeption einem umfassenden Verständnis von Primärversorgung verpflichtet. 

  • Es bietet Gesundheitsversorgung für alle Lebensalter an (von der Schwangerschaft und Geburt bis hin ins hohe Alter und damit einhergehenden Bedarfen).
  • Es integriert die Bereiche Gesundheitsförderung und Prävention, kurative Behandlung, pflegerische Versorgung sowie Teilhabe- und Integrationsförderung.
  • Es ist multiprofessionell ausgerichtet: Ärzte, nicht-ärztliche Gesundheitsberufe, Pflege und Beratung engagieren sich gemeinsam in der Gesundheitsversorgung. Die interprofessionelle Kooperation wird durch verschiedene Arbeitsgremien, aber auch durch die „kurzen Wege“ im PORT Gesundheitszentrum gesichert.
  • Es ist kommunal verankert: Durch das Engagement von Gemeinde und Landkreis sowie durch lokale Gesundheitsnetzwerke ist das PORT Gesundheitszentrum fest in die kommunale Daseinsvorsorge und die Akteurslandschaft und Zivilgesellschaft vor Ort eingebunden. 

In den Jahren seines Bestehens hat das PORT Gesundheitszentrum rasch einen zentralen überregionalen Stellenwert in der gesundheitlichen Versorgung eingenommen. Das Angebotsspektrum hat sich kontinuierlich erweitert. Der Bau ist mitgewachsen und wurde bereits zweimal erweitert.

Das Zentrum ist nicht nur selbst ein Modell, es bietet auch einen Rahmen zur Erprobung weiterer innovativer Versorgungselemente.

So ist das Zentrum seit zwei Jahren Standort einer der ersten Community Health Nurses in kommunaler Anstellung in Deutschland. Zu ihrem Portfolio gehören die Koordination und Begleitung von Menschen mit chronischer Erkrankung oder Mehrfacherkrankung (Case Management) sowie der bedarfsorientierte Ausbau von Gesundheitsförderung und Prävention. 

Das PORT Gesundheitszentrum Schwäbische Alb Hohenstein soll auch künftig ein Modell innovativer Gesundheitsversorgung sein. Dies bedeutet für uns

  • die professions- und sektorenübergreifende Zusammenarbeit im PORT Gesundheitszentrum weiter zu fördern,
  • das Leistungsspektrum bedarfsorientiert weiterzuentwickeln, und
  • uns für eine nachhaltig gesicherte Finanzierung einzusetzen. 

Dazu gehört auch, die Zugänge zum Gesundheitszentrum zu verbessern: Damit auch mobilitätseingeschränkte Personen aus Hohenstein das breitgefächerte Angebot des PORT Gesundheitszentrums nutzen können, unterstützt die Gemeinde aktuell die Entwicklung eines Helfernetzes mit Fahrdiensten. 

Simon Baier, Bürgermeister von Hohenstein
Der Bürgermeister sieht Gesundheit als eine kommunale Aufgabe. Deshalb lehnt er sich nicht zurück und wartet auf Vorschläge von anderen. Vielmehr möchte er zusammen mit den etwa 3.800 Einwohnern die Zukunft der Gesundheitssituation vor Ort planen und umsetzen. Er findet es spannend, mit PORT in innovative Bereiche zu gehen, für die es aktuell noch nicht immer einen Kostenträger gibt. „Es gibt genügende Erkenntnisse und gesundheitliche Debatten. Wir legen den Fokus auf die konkrete Umsetzung und erhoffen uns, dass unser Tun einen Beitrag zur Verbesserung der tatsächlichen Verhältnisse leistet, als Erfolg in der Breite Anklang findet und die politischen Rahmenbedingungen folgerichtig angepasst werden.“

Barbara Boßler, Community Health Nurse
Menschen mit komplexen gesundheitlichen Anliegen, ob alt oder jung, benötigen eine verlässliche Versorgung durch ein ortsnahes, multiprofessionelles Team. Eine Begleitung, die auch die Ressourcen des Menschen und seines Umfeldes stärkt.

Eine Community Health Nurse (CHN) als zentrale, koordinierende Ansprechperson leistet hierbei einen entscheidenden Beitrag. Im PORT Gesundheitszentrum werden dafür derzeit Wege vorbereitet und geschaffen. 

Die CHN kann aber noch mehr tun: Sie (oder er) kann bei der individuellen Versorgung unterstützen, aber auch neue Netzwerke und Strukturen für Gesundheit aufbauen. Manches geht schon heute, manches scheitert noch an gesetzlichen Hürden. Um das Potenzial von Community Health Nursing vollständig nutzen zu können, muss die Politik endlich die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen.

Andreas Bauer, Sozialdezernent des Landkreises Reutlingen:
Vor wenigen Jahren war die Gemeinde Hohenstein und die ganze Region der Südlichen Alb ein Beispiel für eine Entwicklung, die nach wie vor anhält: Insbesondere im Ländlichen Raum wird es zunehmend schwierig, vorhandene Arztsitze nachzubesetzen. Deshalb sind wir sehr dankbar, dass es gemeinsam mit der Gemeinde Hohenstein und mit wesentlicher Unterstützung durch die Robert Bosch Stiftung bzw. dem Bosch Health Campus gelungen ist, ein PORT-Gesundheitszentrum zu etablieren, das sowohl für Patientinnen und Patienten als auch für die verschiedenen Gesundheitsberufe höchst attraktiv ist.

Heute ist es ein Beispiel dafür, wie die Gesundheitsversorgung von Morgen aussehen sollte.

Hohenstein
J. Lippert

Nach einer großen Befragung zum Thema Gesundheitsversorgung 2016 war klar, was sich viele Hohensteiner wünschen: gesundheitliches Fachpersonal und eine gesicherte Versorgung in ihrer Nähe. 

Kassel

Kassel ist u.a. bekannt für historische Gebäude und Parks sowie alle fünf Jahre für die documenta. Der Stadtteil Rothenditmold aber ist ein sozialer Brennpunkt. Viele Bewohner leben in schwierigen Verhältnissen. Wirkungsvolle Gesundheitsversorgung und -förderung stehen hier vor besonderen Herausforderungen.

Der Stadtteil mit rund 7600 Einwohnern hat die höchste Arbeitslosenquote (16,3%) und die meisten SGB II-Empfänger Kassels. Über 65% der Bevölkerung und ca. 85% aller Kinder haben einen Migrationshintergrund. Alleinerziehung, Überschuldung und Umweltbelastung treffen viele. Mangelnde Vorsorge verbunden mit einem allgemein schlechten Gesundheitszustand, Fehlernährung, Alkohol- und Drogensucht, chronische Erkrankungen, psychische Beeinträchtigungen und Depressivität sind überproportional anzutreffen. Dazu kommt der (Fach-)Ärztemangel im Quartier.

Der freie Träger betreibt das Mehrgenerationenhaus Heilhaus seit fast 30 Jahren als Ort für Menschen in allen Lebensphasen. Das Angebot umfasst u.a. Geburtshilfe, Gesundheits- und Patientenberatung, Begleitung in Lebenskrisen. Es wurde ein breites Leistungsangebot für chronisch-/schwerkranke, alte, hilfs- und pflegebedürftige Menschen entwickelt, darunter ein gemeinnütziges MVZ mit Allgemein- und Palliativmedizin, Dermatologie, Homöopathie, Trad. Chinesischer Medizin, Psychoonkologie, Psychotherapie und Patientenberatung. Es gibt Praxen für Ergo- und Physiotherapie, Logopädie und Osteopathie, eine Hebammenpraxis, einen ambulanten Pflegedienst und Deutschlands erstes Mehrgenerationenhospiz. Außerdem eine Kita, eine Schule für schwer kranke Kinder, sozialpädagogische Jugendhilfe sowie einen offenen Mittagstisch, wo 60 - 70 Essen täglich serviert werden.

In direkter Nachbarschaft entstand die „Siedlung am Heilhaus“ mit 130 Bewohnern. Alte, Kranke und Behinderte sind integriert, Inklusion wird gelebt. Durch enge Verzahnung von professionellen Leistungen und ehrenamtlicher Hilfe können Schwerstpflegebedürftige in ihrer Wohnung leben.

Mit PORT haben wir unsere Arbeit noch stärker an den Bedürfnissen der Bewohnerinnen und Bewohner im Stadtteil ausgerichtet. Ein Schwerpunkt lag auf niedrigschwelligen Angeboten zur Gesundheitsvorsorge in Kitas und Schulen, um das gesunde Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen zu fördern. Eltern werden dabei unterstützt, gesundheitsförderndes Verhalten zu entwickeln, und Multiplikatoren erhalten niedrigschwellige Fortbildungen. Bei allen Zielgruppen stehen Themen wie Ernährung, Bewegung, Suchtprävention und Lebenskompetenz im Mittelpunkt.

Für Menschen, die medizinische oder pflegerische Hilfe benötigen, wurde das Case und Care Management in der „Beratungsstelle für Gesundung und Heilung“ professionalisiert. Durch Fortbildungen und die Entwicklung einer EDV-Datenbank wurde die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Team gestärkt und die Arbeit insgesamt professioneller gestaltet. Zudem wurde die E-Health-Infrastruktur weiterentwickelt und die Netzwerkarbeit mit dem Gesundheitsamt, Kliniken und anderen Partnern intensiviert.

Aktuell steht die Etablierung von Community Health Nursing (CHN) im Vordergrund, um direkt im Stadtteil niedrigschwellige Gesundheitsberatung anzubieten. Damit setzen wir unsere Strategie fort, die Gesundheitsversorgung in Rothenditmold bedarfsgerechter und nachhaltiger zu gestalten. Ziel aller Aktivitäten ist es, die gesundheitliche Situation im Stadtteil langfristig zu verbessern, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen. So trägt das Projekt dazu bei, gesündere und leistungsfähigere Bewohnerinnen und Bewohner in Rothenditmold zu fördern.

Um die Gesundheitsversorgung in Rothenditmold nachhaltig zu stärken, setzen wir uns dafür ein, die Community Health Nurse (CHN) und das Case und Care Management dauerhaft im Stadtteil zu verankern und kontinuierlich anzubieten. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Digitalisierung im Gesundheitsbereich, um die Prozesse effizienter zu gestalten und die Mitarbeitenden zu entlasten. Zudem möchten wir weitere Fachärzte in den Stadtteil holen, um die medizinische Versorgung vor Ort zu verbessern und den Bewohnerinnen und Bewohnern eine noch umfassendere Betreuung zu ermöglichen.

Näheres unter: www.heilhaus.org 

Gerhard Paul, Geschäftsführer
„Durch einen sozialräumlichen Pflegedienst und ein gemeinnütziges Medizinisches Versorgungszentrum konnten wir im Quartier medizinisch-heilende Strukturen etablieren. Zusätzlich haben sich Therapeuten im Heilhaus niedergelassen. Mit der Förderung durch PORT vernetzen wir diese Angebote und bauen die umfassende Gesundheitsversorgung weiter im Quartier aus.“

Dr. Carsten Mohr, medizinischer Leiter
„In unserer täglichen medizinischen Arbeit im Heilhaus verstehen wir körperliche Erkrankungen stets auch als ein Ungleichgewicht auf der sozialen, psychischen oder geistigen Ebene. Die Förderung unterstützt uns bei der Entwicklung eines EDV Tools, das die Kommunikation zwischen den verschiedenen Professionen erleichtert.“

Eva Kraus, Beratungsstelle für Gesundung und Heilung
„Dank PORT konnte ich an einer Fortbildung im Case und Care Management teilnehmen, die meine professionelle Arbeit sehr unterstützt. Ich plane und organisiere die geeignete Unterstützung für Menschen, die gesundheitliche oder pflegerische Hilfe benötigen und koordiniere die Zusammenarbeit mit beteiligten Ärzten, Pflegekräften und Therapeuten.“

Chris v. Westernhagen, Projektmanagement
„Viele Bewohner des Stadtteils haben Probleme. Da sind eine gesunde Lebensführung und der Erhalt von Gesundheit oft nebensächlich. PORT macht es möglich, die Familien mit niedrigschwelligen Angeboten besser zu erreichen und langfristig die Gesundheitsförderung zu verbessern.“

Heilhaus Kassel von außen
Sabine Große, Heilhaus-Stiftung Ursa Paul

Märkische Höhe

Die Verbandsgemeinde Märkische Höhe liegt im Landkreis Märkisch Oderland in Brandenburg. Hier stand im Ortsteil Reichenberg 20 Jahre lang ein ehemaliges Schulgebäude leer. Das ist Geschichte. Mit großem Engagement der Region entstand hier ein „Lebens- und Gesundheitszentrum“ für Primär- und Langzeitversorgung.

Der „Verein zur Förderung des Thomas Müntzer Gesundheitszentrum e.V.“ hatte eine Idee: Das alte Schulgebäude soll neu belebt werden. Eine Machbarkeitsstudie zum generationsübergreifenden Bedarf an medizinischen, therapeutischen und sozialpflegerischen Dienstleistungen brachte schließlich das klare Ergebnis. Die Versorgung der Region mit einem Einzugsgebiet von etwa 28.000 Einwohnern ist auf lange Sicht nicht ausreichend gewährleistet. Vor allem die ärztliche und pflegerische Versorgung chronisch und multimorbid Erkrankter ist unzureichend. Ein Defizit gibt es auch in der sozialpräventiven und kurativen Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Das Kreisgesundheits- und Kreissozialamt bestätigen den Bedarf.

Dank einer EU-Landesförderung begannen im Januar 2017 die Bauarbeiten des Lebenszentrum Thomas Müntzer. Anfang 2019 fusionierte der Verein mit dem DRK-Kreisverband Märkisch-Oder-Havel-Spree, der nun Träger ist. Im September 2019 eröffnete die barrierefreie Kita mit 31 Plätzen.

Die Diakonie Tagespflege „Thomas Müntzer“ hat seit Februar 2020 im Lebenszentrum ihren festen Standort und bietet Platz für 18 pflegebedürftige Menschen. Gemeinsam mit den Kindern der angrenzenden Kita werden in der Gartensaison vier Hochbeete bepflanzt und das Gemüse geerntet und verarbeitet. Regelmäßig besuchen die Kinder der Kita die Gäste der Tagespflege um z.B. Lieder zu singen. In der Küche des Lebenszentrums werden täglich 300 Portionen frisch gekocht und unter anderem an drei Kindertagesstätten, die Förderschule und die im Lebenszentrum befindliche Kita und Tagespflege geliefert.

Zudem gibt es einen Regionalladen mit Produkten und Dingen des täglichen Bedarfs und einen Bürgerraum mit Bibliothek im Lebenszentrum. Die Angebote werden von der Bevölkerung der Umgebung sehr gerne genutzt. Hier finden auch Treffen und Versammlungen von regionalen Vereinen und der Gemeindevertretung sowie Klassentreffen statt.

Neben dem Lebenszentrum steht eine unsanierte, zurzeit nicht nutzbare Sporthalle. Im November 2024 ist eine von der LAG Brandenburg finanziell unterstütze Machbarkeitsstudie mit positivem Votum angefertigt worden. Eine Sanierung zur Mehrzweckhalle wird angestrebt.

In den vergangenen sechs Jahren hat sich das Lebenszentrum Thomas Müntzer und die dazugehörigen Angebote fest etabliert und werden von der Bevölkerung rege genutzt. Seit Oktober 2019 sind im Lebenszentrum eine internistische Hausarztpraxis sowie ein Neurologe/Psychologe niedergelassen, im Oktober 2023 gründeten beide ein MVZ. Ab August 2025 wird diese Praxis durch eine neue Ärztin als Hausarztpraxis weitergeführt und soll perspektivisch erweitert werden.

Des Weiteren befinden sich ein Zahnarztteam, ein Physiotherapeut und eine Ergotherapeutin mit ihren Praxen vor Ort.

Durch das Brandenburger Förderprogramm „Pakt für Pflege“ befindet sich seit Oktober 2022 eine Koordinatorin für alltagsunterstützende Angebote im Haus. Hier engagieren sich Ehrenamtliche, die pflegebedürftige Menschen in ihrer Häuslichkeit besuchen, um die soziale Teilhabe aufrecht zu erhalten. Seit 2023 werden INSEA-Kurse (Selbstmanagementkurse für chronisch Kranke und deren Angehörige) im Lebenszentrum angeboten. Dieses Angebot erfüllt die Teilnehmenden mit großer Freude und Dankbarkeit.

Das Zentrum ist kommunal gut eingebunden und erfüllt eine Brücken- und Scharnierfunktion. Es übernimmt und sichert die Primär- und Langzeitversorgung der Menschen vor Ort. Die Verantwortlichen achten bewusst darauf, dass sich gut vernetzte, patientenorientierte Strukturen entwickeln. Im Sinne der Patienten wird das nötige und wichtige Case Management Wege verkürzen und Zeit einsparen. Diesem Ziel dienen auch Kooperationen mit Apotheke, Fahrdienst, Fapiq, WAS e.V., Fachkrankenhäusern, ambulanten Pflegediensten, ambulantem Hospiz und SAPV. Präventiv- und Reha-Programme sowie gesundheitsfördernde Sportangebote ergänzen das Angebot. Dazu besteht eine Zusammenarbeit mit der Hochschule Neubrandenburg, der Evangelischen Hochschule Dresden und der Humboldt Universität Berlin.

Zukünftig soll im Lebenszentrum ein Angebot ähnlich dem einer Volkshochschule mit verschiedenen Angeboten (Sport, Sprache, Kreativ) für alle Altersgruppen entstehen.

 Näheres unter:

Käte Roos, Projektleitung
Ideengeberin, unermüdliche Umsetzerin und seit 2024 Bürgermeisterin der Gemeinde Märkische Höhe. Krankenschwester und Pflegepädagogin mit vielfachem berufspolitischem Engagement (u.a. Bundesverband des Diakonischen Werkes, Vorsitzende der ev. Kranken und Alten-Hilfe, Grüne Damen und Herren e.V., heute auch Gemeinderatsmitglied in Märkische Höhe)

Sandra Schurke
Arbeitet als Case Managerin im Sozial- und Gesundheitswesen und unterstützt das Lebenszentrum Thomas Müntzer in allen Belangen. Sie ist Zahnmedizinische Fachangestellte mit Qualifikation zur Zahnmedizinischen Verwaltungsassistentin und hat die Qualifikation zur ehrenamtlichen Helferin in alltagsunterstützenden Angeboten nach §45a SGBXI. Zudem ist plant, koordiniert und führt INSEA-Kurse am Lebenszentrum durch. 

Manfred Helbig, Präsident des DRK Kreisverbandes MOHS e.V.
Großer Befürworter und Unterstützer in der „Strukturförderung Ländliche Region“.

Blick von außen auf das Gebäude
Sandra Schurke

Stuttgart

Auch in Großstädten wie der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart macht sich der deutschlandweite Hausarztmangel bemerkbar. Neuzugezogene bekommen schwer einen Termin, Älteren und chronisch kranken Menschen fehlen Ansprechpartner:innen für alltägliche Gesundheitsfragen. Zudem gibt es im Umfeld Menschen, die von Sucht und Wohnungslosigkeit betroffen sind. Für all jene bietet das PORT Gesundheitszentrum Bosch Health Campus eine Anlaufstelle. Eine Besonderheit: Es ist das erste PORT-Zentrum, das in einem Krankenhaus ansässig ist.

Das PORT Gesundheitszentrum in Stuttgart bietet auf 350 Quadratmetern eine umfassende gesundheitliche Versorgung für ein Einzugsgebiet mit rund 22.500 Einwohnerinnen und Einwohnern. Der Standort in Stuttgart Mitte wurde nach einer umfassenden Bedarfsanalyse ausgewählt. Das Gebiet reicht vom Schlossgarten und Rathaus im Kessel der Stadt bis hoch auf die Hänge des Stuttgarter Ostens. Die Sozialstruktur ist sehr divers: Im direkten Umfeld vom Standort stehen vor allem Altbauten und Mehrfamilienhäuser aus den 1950er-Jahren, in denen viele Singles und Erwerbstätige leben sowie ältere Menschen, deren Mobilität teils eingeschränkt ist. Zum Einzugsgebiet gehört zudem das Leonhardsviertel, in dem es Prostitution gibt und in dem Menschen leben, die von Sucht und Wohnungslosigkeit betroffen sind. Diesen Bedarfsgruppen wird neben der ärztlichen und pflegerischen Versorgung auch ein sozial-medizinisches Angebot gemacht. Das PORT Zentrum ist zugleich Modellstandort für eine sektorenübergreifende Versorgung, denn es ist im Robert Bosch Krankenhaus, Standort City, angesiedelt und ist dadurch eng mit der stationären Versorgung verbunden.

Das PORT Gesundheitszentrum Bosch Health Campus wurde mit Unterstützung vom Robert Bosch Centrum für Innovationen im Gesundheitswesen (RBIG) konzipiert und besteht seit April 2025. Es umfasst zunächst eine Hausarztpraxis (Hausärztliche Zweigpraxis des Medizinischen Versorgungszentrums am Robert Bosch Krankenhaus), die Beratung und Begleitung durch Pflegeexpertinnen, sogenannte Community Health Nurses, sowie einem Kursangebot zur Gesundheitsförderung und Prävention. Das PORT Zentrum wird hauptsächlich vom RBIG finanziert und fachlich eng begleitet.

Das PORT Gesundheitszentrum Bosch Health Campus ist das erste Zentrum dieser Art, das in einem Krankenhaus untergebracht ist, dem Robert Bosch Krankenhaus, Standort City. Die räumliche Nähe ermöglicht eine gute Steuerung und Begleitung der Übergänge zwischen stationärer und ambulanter Versorgung. Es besteht unter anderem eine enge Zusammenarbeit mit der Geriatrischen Abteilung, der Mobilen Geriatrischen Rehabilitation und dem Demenz-Delir-Konsiliardienst.

Dies ermöglicht insbesondere, dass ältere und chronisch kranke Menschen medizinisch gut versorgt sind und so lange und selbstbestimmt wie möglich zu Hause wohnen bleiben können. Diese patientenzentrierte Versorgung funktioniert, indem alle Mitarbeitenden vom Arzt über die Medizinischen Fachangestellten bis zu den Community Health Nurses und Therapeut:innen eng und auf Augenhöhe zusammenarbeiten und sich regelmäßig über die jeweils besten Maßnahmen austauschen. Ein weiter Fokus liegt auf der Prävention. Menschen erhalten hier verlässliche Gesundheitsinformationen und Angebote, um gesund zu bleiben oder mit Krankheit gut leben zu können. 

Zur Webseite des PORT Gesundheitszentrums Bosch Health Campus 

Yasmin Kuhaupt, Community Health Nurse
Die studierte Pflegefachkraft mit einem Master in Public Health ist eine der zwei Community Health Nurses im PORT Gesundheitszentrum Bosch Health Campus. „Die Arbeit hier ermöglicht es mir, Patienten im ambulanten Bereich über einen langen Zeitraum zu begleiten und Menschen ganzheitlich zu betrachten. Also nicht nur die Erkrankungen zu sehen, sondern auch das soziale Umfeld und die Gesundheitsressourcen mit einzubeziehen.“ Durch den niederschwelligen Zugang und die aufsuchende Arbeit kann das multiprofessionelle Team Menschen erreichen, die sonst keinen Zugang zu Gesundheitsleistungen haben, sich nicht zurechtfinden oder durchs Raster fallen. 

„Hier kann ich dazu beitragen, die Gesundheit von vielen Menschen im Stadtteil zu fördern, zum Beispiel durch die Entwicklung von Präventionsprogrammen oder Veränderungen des Lebensumfelds. Oder auch, indem ich Kompetenzen und Informationen vermittele, damit die Menschen für sich selbst gesundheitskompetente Entscheidungen treffen können.“ 

Hanna Müller, Community Health Nurse
Für die Community Health Nurse steht der Mensch im Mittelpunkt – unabhängig von Alter, Herkunft oder Gesundheitszustand. Besonders wichtig ist es für sie, nicht nur auf Krankheit zu reagieren, sondern Menschen präventiv zu unterstützen, damit es gar nicht erst zu gesundheitlichen Problemen kommt. Sie begleitet und unterstützt im PORT Gesundheitszentrum vor allem Menschen mit chronischen Erkrankungen, berät und schult Patienten und deren Angehörige, ist Ansprechpartnerin für alle Fragen rund um das komplexe Gesundheitssystem und koordiniert Leistungen. Sie schätzt die Professionalisierung des Pflegeberufs, die sie hier anwenden kann und für die sie hier geschätzt wird. „Die enge Zusammenarbeit im multiprofessionellen Team ermöglicht es uns, auf Augenhöhe zu arbeiten und die Versorgung kontinuierlich zu optimieren, um den besten Nutzen für die Menschen zu erzielen“, so Hanna Müller. 

Besonders am Herzen liegen ihr diejenigen, die Schwierigkeiten haben, Zugang zum Gesundheitssystem zu finden. In einem so komplexen System wie dem in Deutschland ist es ihr ein Anliegen, diesen Menschen zu helfen, sich zurechtzufinden und die nötige Unterstützung zu erhalten. 

Dr. Matthias Holmer, Allgemeinarzt
Der Mediziner mag Herausforderungen. Er hat viele Jahre als Arzt in der Demokratischen Republik Kongo gearbeitet und weiß, dass eine umfassende medizinische Versorgung nicht überall selbstverständlich ist. Umso mehr freut er sich darauf, im PORT Gesundheitszentrum Bosch Health Campus möglichst viele Menschen mit akuten und chronischen Erkrankungen qualifiziert behandeln und betreuen zu können – auch diejenigen, die bislang vielleicht keinen Zugang zum Gesundheitssystem haben. „Ich möchte auch sozial Schwache erreichen und integrieren“, sagt Matthias Holmer. PORT kann das vor allem durch sein breites und niedrigschwelliges Hilfsangebot erreichen.

Der Allgemeinmediziner schätzt an seiner Arbeit im PORT Zentrum den engen Austausch mit den Community Health Nurses, aber auch die gute Vernetzung mit den Stationen des Robert Bosch Krankenhauses, Standort City. Patienten unter einem Dach ganzheitlich zu versorgen und sie in die Entwicklung von PORT einzubinden, sind weitere Punkte, hinter denen Matthias Holmer steht. „Wenn wir mit den Menschen zusammen unsere Angebote weiterentwickeln, erreichen wir nicht nur viele, sondern können es auch schaffen, dass sie Verantwortung für ihre eigene Gesundheit übernehmen und gute Entscheidungen treffen können.“

Daniela Lange, Praxismanagerin
„Ich schätze an PORT besonders die interdisziplinäre Zusammenarbeit und die Möglichkeit, aktiv an der Verbesserung der Patientenversorgung mitzuwirken“, sagt die Fachwirtin für ambulante medizinische Versorgung (MFA). Zu ihrer Hauptaufgabe gehört die Organisation der Praxisabläufe in enger Zusammenarbeit mit den Community Health Nurses sowie die kontinuierliche Verbesserung der Versorgungsprozesse. Reibungslos, patientenfreundlich und effizient soll alles im PORT Gesundheitszentrum laufen. „Das innovative Konzept hat mich überzeugt. Hier kann ich dazu beitragen, dass Patienten sich gut aufgehoben fühlen und eine bestmögliche Unterstützung erhalten.“ 

Das Team des PORT-Zentrums
Björn Hänssler

Das PORT Gesundheitszentrum Bosch Health Campus ist das erste, das in einem Krankenhaus untergebracht ist, dem Robert Bosch Krankenhaus, Standort City. Die räumliche Nähe ermöglicht eine gute Steuerung und Begleitung der Übergänge zwischen stationärer und ambulanter Versorgung. 

Willingen-Diemelsee

Die Region um Willingen und Diemelsee im Norden Hessens hat in Sachen Gesundheit bereits einiges zu bieten: Es gibt Ärzte, Pflege- und Therapieeinrichtungen und heilklimatische Bedingungen. Mit ihrem PORT-Zentrum verbinden die beiden Gemeinden nun alles sinn- und effektvoll miteinander und stellen dabei den Menschen in den Mittelpunkt.

Betrachtet man die Deutschlandkarte liegen Willingen und Diemelsee relativ mittendrin. Schaut man aber näher auf die geographischen Gegebenheiten, befinden sich die beiden Gemeinden mit ihren etwa 5.000 und 4.500 Einwohnern ziemlich abgelegen im nordwestlichen Zipfel Hessens zwischen den Ausläufern des Rothaargebirges. Obwohl die Anreise selten kurz und einfach ist, kommen jährlich etwa eine Millionen Übernachtungsgäste in die Region. In Willingen sagt man gerne scherzhaft, es gäbe hier mehr Hotels und Pensionen als Einwohner. Was macht die Gegend so attraktiv? Willingen und Diemelsee sind sportlich: Im Winter verausgaben sich hier Skifahrer, Langläufer und Skispringer, denen beim jährlichen Skisprung Weltcup auf der Mühlenkopfschanze tausende Fans zujubeln. Liegt kein Schnee, wandern und radeln die Menschen über Berge, um Seen und Talsperren und durch die Wälder. Dazu ist die Region im Landkreis Waldeck-Frankenberg sehr erholsam: Willingen ist „Heilklimatischer Kurort“ und Kneippheilbad mit klassischen Kuranwendungen und vielen Wellnessangeboten. 
Insgesamt ist die Region in Sachen Gesundheitsversorgung gut aufgestellt. Aber im Hinblick auf eine älter werdende Bevölkerung möchten beide Gemeinden ihre Zukunft sichern Langfristig ist man auf eine Vielzahl von Fachkräften aus Gesundheits- und Sozialberufen angewiesen. Mit PORT bündeln und vernetzen Willingen und Diemelsee diese Kompetenzen und stellen sich für die Herausforderungen der Zukunft gut auf.

Von der hausärztlichen Gemeinschaftspraxis im Zentrum von Willingen sind es nur wenige Meter zum Pflegehotel, einer Einrichtung für Kurzzeit-, Rehabilitations- und Tagespflege. Praxis und Pflegehotel bilden den bereits bestehenden Kern des PORT-Projekts in Willingen-Diemelsee. Seit 2019 ist PORT in den so genannten Gesundheitspavillon eingezogen, der mit seiner runden Form direkt auffällt und als Beratungs- und Schulungszentrum fungiert. Hier im Stryck, so heißt der Ortsteil in Willingen, finden die Sprechstunden der Versorgungslotsinnen statt. Ebenso werden verschiedene Kurse angeboten wie Yoga für Seniorinnen und Senioren, Digitallotsen Kurse, ein spezielles Selbsthilfeprogramm INSEA für Menschen mit chronischer Erkrankung, Jumping Fitness und vieles mehr. Der Gesundheitspavillon ist ein lebendgier Ort der Begegnung und Gesundheitsförderung geworden.

Auf den Pfaden zwischen Praxis, Krankenhaus, Pflegeeinrichtung, Therapie, Prävention und sozialer Unterstützung werden seit 2018 Bürgerinnen und Bürger durch zwei Case Managerininnen bzw. Versorgungslotsinnen begleitet. Beide sind erfahrene Pflegefachpersonen mit Weiterbildung als Pflegeberaterin und Case Managerin (nach DGCC). Neben den Sprechstunden im Gesundheitspavillon werden viele Hausbesuche durchgeführt, um den individuellen Hilfebedarf zu ermitteln und entsprechende Unterstützung zu organisieren. Das Beratungsangebot ist inzwischen bei der Bevölkerung aber auch bei professionellen Strukturen gut bekannt, sodass pro Jahr ca. 50 neue Klient:innen dazukommen.

2019 wurde die Arbeit des Netzwerks um ein Care Management in Person von Viktoria Biedermann ergänzt, die die Bedarfe des Quartiers in den Blick nimmt und entsprechend auf die Schaffung fehlender Angebote hinwirkt. 

Auch das Netzwerk der Leistungserbringer hat sich seitdem positiv weiterentwickelt, was sich an gemeinsamen erstellten Infobroschüren sowie einer regen Teilnahme an den jährlichen Netzwerktreffen zeigt. Aus dem Netzwerk heraus hat sich durch Engagement der pflegerischen Leistungserbringer ein Pflegezirkel etabliert, der einmal pro Quartal stattfindet. Hier wird sich gemeinsam über aktuelle Themen ausgetauscht. 

Zusammen sollen alle Beteiligten aus dem Gesundheitsumfeld passgenaue Angebote schaffen, nicht nur für akut und chronisch Kranke, sondern für die gesamte Bevölkerung. Dafür setzt man auf einen regen Austausch zwischen den Fachleuten aus dem Gesundheitswesen, den Bürgern, Patienten, Familienangehörigen und Ehrenamtlichen – durch regelmäßige Fallbesprechungen und offene Diskussionen. 

Um der Vision des Netzwerks zu entsprechen, von Anfang bis Ende des Lebens zu begleiten, wird seit 2025 eine Strategie für ein „Gesundes Aufwachsen in der Kommune“ entwickelt und eingeführt. 

Die Themen gehen im Gesundheitsnetzwerk nicht aus. Dies liegt natürlich auch an den vielen Herausforderungen, denen wir uns in Zukunft stellen wollen. Neben den vielen Menschen, die in den nächsten Jahren pflegebedürftig werden und die es zu versorgen gilt, gibt es immer weniger Angehörige, die die Versorgung zu Hause übernehmen können. Oft fehlen familiäre Netzwerke oder gute nachbarschaftliche Strukturen. Auch die psychischen Belastungen nehmen zu und wirken sich auf die Versorgungssituation aus. Hier wird PORT bestehende Netzwerke erweitern und Hilfsangebote entwickeln, um eine gute Versorgung und Unterstützung bieten zu können. 

Zur Webseite des Gesundheitsnetzwerkes PORT Willingen Diemelsee e.V.

Dirk Bender, Allgemeinmediziner, Kur- und Badearzt
Der Willinger Hausarzt mag an seiner Arbeit die Nähe zu den Patienten, die er oft durch viele Lebensabschnitte begleitet. Durch das PORT-Projekt erhält er eine stärkere Entlastung, um mehr Zeit für die Menschen zu haben – die aus seiner Sicht aber auch stärker integriert werden sollen „Wir Ärzte sind endlich. Um unsere Patienten gut zu versorgen, müssen wir andere Gruppen einbinden, die patientenzentriert im Gesundheitswesen arbeiten und auf die Mithilfe der Menschen setzen.“

Katharina Kappelhoff, Geschäftsführerin des Vereins Gesundheitsnetzwerk PORT Willingen-Diemelsee e.V.
Der Bedarf an Vernetzung und Koordination ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Mit PORT haben wir eine Lösung geschaffen, die den Menschen aus unserer Region ganz konkrete Hilfe bietet. Das Team aus Case und Care Managerinnen unterstützt und begleitet Pflegebedürftige und ihre Angehörigen, schafft Unterstützungsangebote für junge Familien und bietet Empowerment und Austausch. „Unserer Vision, ein Netzwerk zu schaffen, das allen Menschen aus der Region lebenslang zur Verfügung steht, sind wir ein ganzes Stück nähergekommen. Immer dann, wenn Versorgung kompliziert ist, steht das PORT Netzwerk bereit“, freut sich Dr. Katharina Kappelhoff. Mit vielen engagierten Partnerinnen und Partnern aus der Region, gelingt die multiprofessionelle Zusammenarbeit auf Augenhöhe ganz praktisch.

Waltraud Rebbe-Meyer, Geschäftsführerin Pflegehotel Willingen
Missstände und Probleme sind dafür da, beseitigt zu werden. So sieht es Waltraud Rebbe-Meyer. Sie führt das Pflegehotel Willingen. Als Teil des PORT-Projekts arbeitet sie mit ihrem Team daran, dass sich die Kommunikation mit allen Beteiligten verbessert: Mit Ärzten, Angehörigen, Pflegediensten und allen Mitarbeitern aus dem Gesundheitswesen. „Unser Ziel ist es, dass wir uns als Partner sehen in einem Geschehen um eine Person herum. Jeder hat seine Professionalität. Wenn wir die schön zusammenbekommen, dann haben wir ein Optimum für den Menschen.“ 

Volker Becker, Bürgermeister und Vorsitzender des Gesundheitsnetzwerk PORT Willingen- Diemelsee e.V.

PORT ist für mich eine echte Herzensangelegenheit. Als Bürgermeister und Vorsitzender des PORT Vereins erlebe ich tagtäglich, was möglich wird, wenn Menschen sich zusammentun, um füreinander da zu sein. PORT hat in unserer ländlichen Region etwas bewegt, was nicht selbstverständlich ist: Es hat Nähe, Vertrauen und neue Wege der Versorgung und Teilhabe geschaffen.

Dank der langjährigen Unterstützung des Bosch Health Campus der Robert Bosch Stiftung konnten wir Brücken bauen – zwischen Jung und Alt, zwischen Pflege, Medizin und Ehrenamt, zwischen Institutionen und dem ganz normalen Alltag der Menschen. PORT steht für Zusammenhalt, für Netzwerke, für Miteinander und für die Überzeugung, dass wir als Gemeinschaft stärker sind.

Für unsere Gemeinde Diemelsee ist PORT nicht nur ein Projekt, sondern ein Stück Zukunft.

Susanne Canisius und Jutta Birkenhauer, Versorgungslotsinnen
Manchmal gleicht das Gesundheitssystem einem großen Dschungel, den man kaum durchblicken kann. Und genau hier beginnt die Arbeit der Versorgungslotsinnen. Ziel ist es, Pflegebedürftige und ihre Familien so aufzustellen, dass sie gut zu Hause leben können und durch das Versorgungssystem zu lotsen.

Dazu ist einiges zu tun, wie finanzielle Hilfen zu beantragen, häusliche Unterstützung im Alltag zu organisieren, aber auch das individuelle Empowerment und die Resilienz aller Beteiligten zu fördern.

Das gelingt mithilfe eine großen Netzwerkes aus engagierten Leistungserbringern und bewährten Angeboten wie das Selbsthilfeprogramm INSEA, das im PORT seit 2020 angeboten wird.

Willingen

Insgesamt ist die Region in Sachen Gesundheitsversorgung gut aufgestellt. Aber im Hinblick auf eine älter werdende Bevölkerung möchten beide Gemeinden ihre Zukunft sichern.