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Entzündungsfördernde Immunzellen im Darm entdeckt und umprogrammiert

Forschende des Bosch Health Campus und der Mayo Clinic in Rochester (USA) haben eine bisher unbekannte Untergruppe von Immunzellen identifiziert, die bei der Darmerkrankung Morbus Crohn eine entzündungsfördernde Wirkung haben. Zudem haben sie eine Methode entwickelt, diese Zellen erfolgreich umzuprogrammieren. Da entzündliche Darmerkrankungen das Darmkrebsrisiko erhöhen, bieten die Erkenntnisse großes Potenzial, Therapien mit weitreichender Wirkung zu entwickeln.

Bosch Health Campus | Februar 2024
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Gastroenterology, Elsevier Inc.

Für die Studie wurden humane Colon-Organoide (blau) mit drei verschiedenen Treg-Zellkulturen kultiviert. Unter Kontrollbedingungen mit normalen Tregs (links) sind „Tight Junctions“ (grün) zwischen den Epithelzellen ersichtlich, die für eine enge Verbindung zwischen den Zellen sorgen. Mit entzündlichen Tregs sind kaum Tight Junctions vorhanden, was für eine hohe Durchlässigkeit des Epithels spricht (Mitte). Werden die Treg-Zellen zuvor mit Vorinostat behandelt, kann die Durchlässigkeit behoben werden (rechts).

Entzündungen spielen eine zentrale Rolle bei der Tumorentstehung, dem Tumorwachstum und dem Ansprechen auf Therapien. In Deutschland sind etwa 650.000 Menschen von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen betroffen, die mit einem erhöhten Darmkrebsrisiko einhergehen. Daher arbeiten Forscherinnen und Forscher daran, die Entzündungsprozesse besser zu verstehen und darauf einzuwirken.

Bei der chronisch-entzündlichen Darmerkrankung Morbus Crohn ist die Konzentration von Immunzellen an den entzündeten Stellen erhöht. Auch sogenannte regulatorische T-Zellen reichern sich dort an, doch tragen sie hier, anders als üblich, nicht zur Bekämpfung der Entzündung bei. Forschende des Bosch Health Campus und der Mayo Clinic in Rochester (USA) haben nun eine Erklärung dafür gefunden: Bei der Untergruppe der regulatorischen T-Zellen ist die Zellidentität dahingehend verändert, dass sie Entzündungen befördern statt diese zu hemmen.

Jede einzelne Zelle bestimmt und untersucht

Für die Studie, die in der renommierten Fachzeitschrift „Gastroenterology“ erschienen ist, hat die Forschungsgruppe um Privatdozentin Dr. Robyn Laura Kosinsky vom Robert Bosch Centrum für Tumorerkrankungen (RBCT) am Bosch Health Campus die Methode der Einzelzell-Sequenzierung verfeinert. Bei der Methode werden Gewebeproben in Einzelzellen zerlegt, sodass diese individuell bestimmt werden können. Bei der Untersuchung der Proben fanden die Forschenden die neuartige Untergruppe von regulatorischen T-Zellen. „Wir konnten beobachten, dass bei ihnen diverse inflammations-assoziierte Signalwege hochreguliert sind, wodurch ihr entzündungsförderndes Profil entsteht“, erklärt die Molekularbiologin und Krebsforscherin Dr. Robyn Laura Kosinsky.

Um diese Signale einzudämmen, behandelten Kosinsky und ihre Kolleg:innen die Zellen in Kulturen mit dem in den USA zugelassenen Medikament Vorinostat, das die Epigenetik beeinflusst und die entzündungsfördernde Funktion unterdrückt – mit Erfolg: Die Funktion der Zellen normalisierte sich.

Darüber hinaus kultivierten die Forschenden die entzündlichen Zellen mit sogenannten humanen Colon-Organoiden, künstlich erzeugten organähnlichen Mikrostrukturen. Ohne Behandlung war das Gewebe durchlässiger als üblich – ein Phänomen, das Forschende bei Morbus-Crohn-Patient:innen kennen. Die Lücken entstehen durch einen Verlust der sogenannten Tight Junctions, also der engen Zellverbindungen. So können Bakterien leichter eindringen und Entzündungsprozesse fördern. Auch hier zeigte das Medikament Wirkung: Nach der Behandlung mit Vorinostat verschwanden die Lücken.

„Durch unsere Entdeckung der entzündungsfördernden Zell-Population und die Möglichkeit, diese pharmakologisch umzuprogrammieren, könnten sich neue Möglichkeiten ergeben, Patient:innen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen zielgerichteter zu behandeln und ihre Krankheitslast zu mindern“, sagt Kosinsky. Aus ihrer Sicht ist es lohnend zu überprüfen, ob die entdeckte T-Zell-Population auch bei anderen Erkrankungen des Darms vorhanden ist und ob sie bei der Entstehung von Darmkrebs eine Rolle spielt.

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